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CHARLOTTE VON LENGEFELD.


Als „ein blühend Kind, umspielt von Grazien und Scherzen“ erschien Lotte dem jungen Dichter, da er in Begleitung seines Freundes Wolzogen, des nachherigen Gatten der ältern Schwester Karoline, zuerst nach Rudolstadt und in das Lengefeld’sche Haus kam. Sie selbst sagt später von sich, dass sie ganz wie ein junges Mädchen, in Gesellschaft wenig sprechend, zu Hause im vertrauten Kreise um so toller war. Das Heitere, Rasche, Gutmüthige des Naturells tritt in dem ersten Jahre des Briefwechsels der beiden, der uns neuerlich durch Schiller’s Tochter, Freifrau von Gleichen-Russwurm, geschenkt worden ist, immer hervor; im Anfang ist’s sogar nichts als diese Jugendfrische und das Graziöse des Wesens, was uns an ihr interessirt.

Schiller trifft sie bald nach jenem flüchtigen Besuch in Rudolstadt wieder in Weimar, wo er sich schon entschieden zu ihr hingezogen fühlt, und sich der uns vorliegende Briefwechsel bei Gelegenheit des Austausches von Büchern entspinnt. Nach der Rückkehr der beiden Schwestern nach Rudolstadt wird derselbe dennoch fortgesetzt und führt im nächsten Sommer zu einem mehrmonatlichen Aufenthalt Schiller’s erst in der Nachbarschaft von Rudolstadt, wo beide auf Spaziergängen und tagtäglichen Besuchen sich immer mehr gewöhnen, er geistig zu geben, sie zu nehmen. Dies geschieht gegenseitig mit solcher Lust und solchem Eifer, dass man das eben noch so muthwillige, frische und sehr ungelehrte Mädchen förmlich von Brief zu Brief wachsen, an Bedeutung zunehmen zu sehen meint. In dieser Zeit der schönen Sommerspaziergänge im anmuthigen thüringer Hügelland, wo die Liebenden, täglich einander entgegengehend, sich in Wiese und Wald treffen, hat der Künstler Lotten aufgefasst, in der schönen Zeit der ersten Liebe, wo der bald träumend in sich gekehrte,

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/34&oldid=- (Version vom 1.8.2018)