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Adelsrepublik mit ihren ewigen Intriguen, ihrer grenzenlosen Unruhe, die das ganze Volk einem beständig tobenden Meer gleichen lässt, das in tausend Wellen wüthend gegen jeden Damm aufbraust und immer wieder machtlos zurückfällt. Es tritt uns überall jener Mangel an Anhänglichkeit, das unwahre und treulose Wesen, die Prunksucht und Habgier, der Hochmuth, die tiefe sittliche Fäulniss, aber auch das ritterliche, kriegerische, bald perfide, bald edelmüthige, immer aber tapfere Naturell, der Ueberfluss an Geist und der Mangel an Verstand und Beharrlichkeit dieser unter den heranwachsenden Völkern ewig ein verschwenderischer und übel berathener Jüngling gebliebenen Nation entgegen. Wie sie leicht zu erobern, nie aber festzuhalten verstand, ritterliche Tugenden besass, aber der Bürgertugend ermangelte, nur das Schlachtross kannte, den Pflug aber verachtete, das alles sehen wir mit Meisterschaft gezeichnet. Keine Geschichtschreibung kann uns jene gesetzliche Anarchie, die den Namen des „Polnischen Reichstags“ zum Sprichwort für Verwirrung gemacht hat, so plastisch schildern als die paar Scenen, die der Dichter dieser Wirthschaft widmet, und die uns den historischen Eindruck zurücklassen, dass dieses Volk im innersten Grunde eben doch ein barbarisches, trotz aller glänzenden Eigenschaften der eigentlichen Civilisation unfähiges gewesen sei und noch ist.

So vortrefflich als der Umriss des Ganzen ist auch die Zeichnung der einzelnen Theile, besonders der Einfluss der Weiber, jener glänzenden, schönen, geistreichen und üppigen, patriotischen, aber auch herrschsüchtigen und intriguanten Frauen, die in Marina ihre Repräsentantin finden, sowie der Geistlichkeit, die sich in diesem sinnbetäubenden Wirbel in Krakau mit herumdrehen.

Ebenso gut ist der Gegensatz in der Natur der Russen zu der der Polen geschildert, soweit die Ausführung vorliegt. Beide slawische Völker theilen miteinander die Unruhe, das halbbarbarische Wesen, die leicht zu entflammende Phantasie und die Lust an der Intrigue, aber die Russen haben den Vortheil grösserer Anhänglichkeit an die Dynastie, an die Herrschaft vor jenen voraus; sie sind noch weniger aufgelöst, treuer und ehrlicher.

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 378. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/403&oldid=- (Version vom 1.8.2018)