Seite:Schiller-Galerie.pdf/412

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

lag ihm um so näher, als sie im vorigen Jahrhundert noch vom Reiz einer Art aristokratischen Privilegiums umgeben war, und als er die Religion in seiner Jugend nur von ihrer abschreckendsten Seite, als Quälerin und lästige Wache des Menschen, kennen gelernt hatte. Indem der Prinz aber sich von gläubiger Bigoterie allmählich durch eigene Anstrengung zur Freigeisterei durcharbeitet, kann es nicht fehlen, dass er sich auf diese Eroberung etwas zugute thut, dass sie sein Selbstgefühl stärkt und sein früheres Mistrauen gegen die eigene Urtheilskraft beträchtlich vermindert. Ist man erst so weit, sich selbst zu bewundern, so pflegt man diesen Zoll bald auch von andern zu fordern; man braucht Schmeichler, sucht sie auf und findet sie unfehlbar, wenn man ein Prinz ist. Zuerst hört man sie wenigstens gern, endlich glaubt man ihnen auch.

Diese allmähliche Umwandelung der anfänglich bescheidenen und zurückhaltenden Natur wird uns sehr gut geschildert, nicht minder wie dieselbe, wenn sie einmal so weit gediehen ist, auch noch andere verhängnissvolle Consequenzen nach sich zieht.

Die Bescheidenheit hat den Prinzen verlassen, er findet Gefallen daran, zu glänzen, erst, wie die Frauen, blos durch seine Person, ohne die Hülfe seiner äussern Verhältnisse, dann wird aber auch bald Stand und Rang geltend gemacht, um die Bewunderung zu fesseln. Dies führt zu einer Vermehrung der Ausgaben, die eine grosse ökonomische Unordnung unausbleiblich im Gefolge haben muss. Natürlich entsteht bei einem vornehmen Mann wie dem Prinzen daraus schlechte Laune, diese erzeugt erhöhtes Bedürfniss nach äusserer, rauschender Zerstreuung; er will den unbequemen Vorwürfen, die er sich eigentlich machen müsste, entfliehen, und stürzt sich dadurch in noch grössere Verlegenheiten. Anstatt nun den Fehler bei sich zu suchen, schiebt man ihn auf andere, man fühlt das Bedürfniss noch heftiger, die innere Stimme zu übertäuben, man geräth in jenen Zustand leidenschaftlicher Aufregung, wo die Liebe in ihrer extremsten, berauschendsten Form am leichtesten Eingang bei einem unversuchten Mann findet.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 387. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/412&oldid=- (Version vom 1.8.2018)