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wurden, und Gefahr liefen in den Fluß geschleudert zu werden.

Der König, als er diese Unthat erblickte, fuhr mit einer unwillkührlichen Bewegung nach dem Schwerdte, doch besann er sich und blickte ruhig erst seinen Scepter, dann die Lampe und das Ruder seiner Gefährten an. Ich errathe deine Gedanken, sagte der Mann mit der Lampe, aber wir und unsere Kräfte sind gegen diesen Ohnmächtigen ohnmächtig. Sey ruhig, er schadet zum leztenmal, und glücklicherweise ist sein Schatten von uns abgekehrt.

Indessen war der Riese immer näher gekommen, hatte für Verwunderung über das, was er mit ofnen Augen sah, die Hände sinken lassen, that keinen Schaden mehr, und trat gaffend in den Vorhof herein.

Grade ging er auf die Thüre des Tempels zu, als er auf einmal in der Mitte des Hofes an dem Boden festgehalten wurde. Er stand als eine kolossalische mächtige Bildsäule, von röthlich glänzendem Steine, da, und sein Schatten zeigte die Stunden, die in einem Creiß auf den Boden um ihn her, nicht in Zahlen, sondern in edlen und bedeutenden Bildern, eingelegt waren.

Nicht wenig erfreut war der König, den Schatten des Ungeheuers in nützlicher Richtung zu sehen, nicht wenig verwundert war die Königin, die, als sie mit gröster Herrlichkeit geschmückt aus dem Altare, mit ihren Jungfrauen, herauf stieg, das seltsame Bild erblickte, das die Aussicht aus dem Tempel nach der Brücke fast zudeckte.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 10-150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_4-1795.pdf/158&oldid=- (Version vom 1.8.2018)