Belt. Vor einigen Minuten gieng er eben wieder; Sie müssen ihm begegnet haben.
Weiler. Ich wich ihm wohlbedächtig aus. Ist Mamsell zu Hause?
Belt. Vermuthlich auf ihrem Zimmer – hat Stubenarrest.
Weiler. Sie scherzen, Belt! Wie so?
Belt. Je nu! Sie kennen ja das gute Kind. Gestern stahl sie sich unbemerkt aus dem Hause, steckte ihr ganzes Spielgeld und einige Wäsche nebst Kleidungsstücken bey sich, und eilte damit, dürftige Familien zu unterstützen. Ihr fürtrefliches Herz floß beym Anblick des allgemeinen Elends in Thränen über, und ihre wohltätige Hand öfnete sich jeder zuruffenden Stimme, jedem Blick, in dem sie das gegenwärtige Unglück, den Jammerstand las. Sie gab alles hin; schickte erst diesen Morgen wieder mich zur armen Weisinn – Sie kennen sie – mit Kleidern und Lebensmitteln, und wagt’ es beym Alten, der noch hundert Thaler an sie zu fodern hat, ein gut Wörtchen für die unglückliche Wittwe einzulegen; aber umsonst – der alte Geizteufel, aufgebracht über die Empfindeley seiner Tochter, wie ers nannte – denn er hatte kurz vorher wieder seine Anwandlungen vom Geizfieber – gab ihr die bittersten Verweise über ihre Gutherzigkeit, und verbot ihr, nicht einen Schritt aus dem Hause ohne seiner Erlaubniß zu setzen. Der unnatürliche Mann! er haßt jeden Menschen, der nicht so denkt, wie er, und ist einer solchen Tochter gar nicht werth, die ihn mit jedem
Franz Philipp Adolph Schouwärt: Die Ueberschwemmung. , Frankfurt am Mayn 1784, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schouw%C3%A4rt_%E2%80%93_Die_Ueberschwemmung_(1784).djvu/40&oldid=- (Version vom 24.10.2016)