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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland



3. Johannchen und Binchen (Benigna).




„Dort habe ich meine glücklichsten Kindheitsjahre ver­bracht," – sagte der blinde Großvater von dem Pastorate Durben, als er jüngst von seinen Erinnerungen berichtete und schließlich bis zur grausen Pestzeit aufstieg. Und gewiß darf ein Menschenkind, das bei uns in einem ländlichen Pfarrhause das Licht dieser Welt erblickt, vor vielen andern rühmen: „Das Los ist mir gefallen aufs Liebliche; mir ist ein schön Erbteil geworden.“

Sind’s freilich oft nur alte, baufällige Räume, einfach ausgestattet (zumal in jener Zeit), unsere Pastorate, so wissen sie doch meist nichts von jener dumpfen, drückenden Enge, in welcher es so manchem andern Menschendasein bestimmt war, zuerst zum Bewußtsein zu erwachen und, fast einem kleinen Gefangenen gleich, seine ersten Lebens­jahre in düstrer Eintönigkeit zu verbringen. Meist schließt sich an das Pfarrhaus ein größerer Garten; Wald und Flur, Fluß oder Teich pflegen auch nicht weit zu sein, – und was das für eine Kindesseele bedeutet, das weiß nur der recht zu fühlen, der die armen bleichen Stadtkinder, namentlich unsrer Großstädte zu vergleichen Gelegenheit hatte, deren erste Welt, oft auf Jahre hin, ein enger, düstrer Hof ist, und die unter dem Druck der Armut nicht einmal in den flüchtigen Sommertagen ländlicher Freude und Frei­heit teilhaft werden. Ist ferner auch in unsern Pastoraten

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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland. J. F. Steinkopf, Stuttgart 1885, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SeebergAusAltenZeiten.pdf/52&oldid=- (Version vom 7.9.2022)