Sache heimzukehren, habe ich noch ein letztes Mittel probiert, indem ich den Weg einschlug, auf welchem die Leute heutzutage berühmt werden, nämlich die Zeitungs-Annonce. Ich ließ meine Erklärung von der Weisheit drucken und überall ankündigen: Wer ein Weiser sein will, wie die Weisen Griechenlands, den laden die Musen zu Gaste und warten sein auf dem Parnassos. Erfolg freilich wage ich mir nicht zu versprechen.“
Pythagoras hatte Recht. Es kam niemand.
„Aber schätzen denn die Menschen die Weisheit garnicht mehr?“ fragten die Musen endlich.
„Sie schätzen sie hoch, sehr hoch,“ versicherte Pythagoras.
„Warum wollen sie dann aber nicht weise sein?“
„Sie wollen lieber, daß es andere sind, nicht sie selbst, welche das Ehrenamt der Weisen führen.“
„Also so gutmütig und bescheiden sind die Menschen!“ rief Erato erfreut. „Das hätte ich wirklich kaum geglaubt. So wollen sie nur darum nicht weise sein, damit —“
„— damit sie klüger bleiben können als die Weisen!“ schloß Pythagoras.
Und die Menschen blieben es auch. Die Musen und die Weisen warteten noch viele Abende auf die Männer, welche weise sein wollen, aber sie blieben unter sich. Nur einmal glaubten sie, es käme ein Weiser; jedoch es war nur ein kleiner Junge mit großen blauen Augen, der sich verirrt hatte, weil er dem Schneewittchen seinen Pfefferkuchen bringen wollte und nach Süden
Kurd Laßwitz: Seifenblasen. Leopold Voß, Hamburg und Leipzig 1890, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Seifenblasen-Kurd_La%C3%9Fwitz-1890.djvu/132&oldid=- (Version vom 20.8.2021)