des äußersten Luftkreises, unerreichbar dem schwerfälligen Geiste der Erdrinde flatterte die flüchtige Lichtgestalt einher. Da erfüllte unendliche Sehnsucht sein Herz, und zum ersten Male rief er die Zauberformel: „Ich bin Dein!“
Der Erdgeist hatte sich in das Nordlicht verliebt. Wie es nicht anders sein konnte, erfüllte sich die Vorhersagung des Miraxianismus. Die Spaltung seines Bewußtseins war in demselben Augenblicke vollzogen; weit klafften die beiden Hälften als Ich und Du auseinander. Ein seltsamer Schimmer erhellte sein Gemüt.
Von den Polen zuckten die Nordlichtstrahlen in das Erdinnere; das Dunkel wich zurück, und klar erleuchtet sah Lithosphäros plötzlich rings um sich eine Welt. Wie verändert war alles auf einmal! Er sah den Wirbeltanz der Welten im All, sah die Sonnen in ihren Bahnen gehen und erkannte die großen Fügungen, welche das Universum zusammenhalten. Aber nun erkannte er auch sich selbst und fand, daß er garnicht mehr der Erdgeist war, dem es auf seiner Kegelbahn so wohl behagt hatte. Poseidon und Hephäst schienen ihm alte Märchen, welche er selbst gedichtet, und der Geisir und der Gletscher waren tote Trümmerhaufen, über die er beim Spazierengehen stolperte; denn die Erde war jetzt für ihn ein äußerer Gegenstand. Und zu seinem Schrecken sah er sich an die Sonne gefesselt, zu ihr gezogen, um sie geschwungen, und er begriff, daß es mit all der Pracht einmal ein Ende haben müsse.
Da blickte er wieder auf das Nordlicht, das schwebte
Kurd Laßwitz: Seifenblasen. Leopold Voß, Hamburg und Leipzig 1890, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Seifenblasen-Kurd_La%C3%9Fwitz-1890.djvu/203&oldid=- (Version vom 20.8.2021)