erwiderte der Blonde und warf eine Eierschale so dicht an dem Farnkraut vorüber, daß Tröpfchen vor Schreck bald ins Wasser gefallen wäre. „System ist Unsinn. Naturgefühl, das macht es. Bin kolossal für Naturgefühl. Einziges Erziehungsmittel des Volkes. Muß sein Glück suchen in Bewunderung. Sehen Sie dahin, jener Bergrücken, ganz Moltkesche Nase! Welterobernde Ruhe blickt schweigend in das All, in das blaue Himmelsauge, Sinnbild der deutschen Frau — denn wo das Strenge mit dem Zarten — deutsche Kraft und deutsches Gemüt drücken der Weltentwickelung den Stempel auf. Niederdeutsche Ebene und Mittelgebirge — Empfindung und Charakter — Matthisson kränzt Luther auf der Wartburg; das ist die beste Wacht am Rhein. Führt unsere Jugend herauf und zeigt ihr die Welt, wie sie ist, wie die charaktervolle Zerklüftung der Natur in der Einheit des Gefühls zerschmilzt, und ihr habt das Ideal der deutschen Tugend, die Treue. Denn weil nur deutsches Klima derartig zerrissenes Gelände in den weichen Gemütsmantel schattenden Bergwalds zu betten vermag, darum eben erweist sich deutsche Treue als die schützende Hülle unseres universellen Geistes. Geben Sie mir etwas Salz.“
„Alles Einbruch,“ sage ich Ihnen, „ausgewaschene Gipsnester.“
„Was wollen Sie damit dem Volke bieten? Geben Sie ihm Gefühl, Naturgenuß, Auflösung in Bewunderung als Ersatz für die volkswirtschaftlich notwendige Entsagung. Lassen Sie mir noch einen Schluck Rotwein.“
Kurd Laßwitz: Seifenblasen. Leopold Voß, Hamburg und Leipzig 1890, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Seifenblasen-Kurd_La%C3%9Fwitz-1890.djvu/214&oldid=- (Version vom 20.8.2021)