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hier ein sorgenloses Leben fanden, da bildeten wir eine kleine, aber glückliche Gemeinde philosophischer Seelen, und frei von jeder Nötigung, äußeren Gefahren entgegenzutreten, richteten wir alle Kraft auf die harmonische Ausgestaltung unseres inneren Lebens, Vertiefung des Denkens, Erziehung des Willens, maßvollen Genuß heiterer Sinnlichkeit. Zwei volle Jahrtausende verflossen, ohne daß ein Segel am Horizonte von Apoikis aufgetaucht wäre. In dieser Zeit haben wir unter Bedingungen, wie sie die menschenerfüllte Erde keinem Volke bieten kann, einer ungestörten, fortschreitenden Entwicklung uns erfreut. Was wir indessen erreichten, das könnt Ihr nie und nimmer gewinnen, auch wenn Eure Kultur im gleichen Maße, wie in dem letzten Jahrhundert, noch ein paar Jahrtausende emporstiege, denn Ihr steht auf ganz anderen historischen Grundlagen als wir. Hunderte von Millionen wollen glücklich werden, dazu müßt Ihr erst das Leben in mühseligem Kampfe erstreiten und dann in hundert Millionen Herzen das Gefühl maßvoller Bescheidung wecken; das letztere könnt Ihr vielleicht erreichen durch eine Religion, welche die Gemüter fortreißt. Aber leben müßt Ihr doch. Und wie Ihr gestellt seid, so kann die Linderung des äußeren Elendes auch nur erreicht werden durch äußere Arbeit, und darum geht alle Eure Kultur nur auf Machtentwicklung der Menschheit. Sie muß darauf gehen, weil Ihr das Leben nicht anders zu bezwingen vermögt. Die unsere aber verachtet und kann verachten die ungemessene Höhe, auf welche der Mensch durch Bezwingung der

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Kurd Laßwitz: Seifenblasen. Leopold Voß, Hamburg und Leipzig 1890, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Seifenblasen-Kurd_La%C3%9Fwitz-1890.djvu/50&oldid=- (Version vom 20.8.2021)