Ich begab mich so oft wie möglich an die Stelle, an welcher wir die Menschen beobachtet und das Gedicht erobert hatten. Fast jeden Tag sah ich den Menschen dort auf einem Baumstamm sitzen und über das Wasser des kleinen Teiches hinweg in die Ferne schauen, ohne daß ich irgend einen Gegenstand entdecken konnte, welcher der Aufmerksamkeit eines Menschen mir wert schien. Endlich — es war an der zweiten Beutesonne, fast der ganze Stock war auf dem Kriegspfade und ich saß wieder über dem Menschen an dem alten Platze — endlich bemerkte ich auf dem Menschenwege am andern Ufer des Wassers jenes Weibchen, aber nicht allein, sondern in Gesellschaft eines älteren, wie ich an dem langsamen Gange bemerkte. Der Mensch sprang auf, aber sogleich setzte er sich erschrocken wieder hin und verbarg sich hinter dem Laubwerk. Lange blieb er so, den Kopf in die Hand gestützt, traurig sitzen. Sonst war er so schnell und freudig dem Weibchen — ein Mädchen nennen es die Menschen — entgegengegangen, und jetzt versteckte er sich? Es war mir unerklärlich. Er zog seine Schreibtafel hervor. Ich näherte mich unbemerkt, und da ich jetzt die nötige Übung im Übertasten der Menschenschrift besitze, gelang es mir, was er sehr langsam und in Pausen niederschrieb, zu verstehen. Es lautete:
Nach dem Wege späh’ ich am Weiher drüben,
Ob du kommst, Geliebte, herabzuwandeln —
Ach, zu tief herniedergebeugte Zweige
Hemmen den Blick mir!
Kurd Laßwitz: Seifenblasen. Leopold Voß, Hamburg und Leipzig 1890, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Seifenblasen-Kurd_La%C3%9Fwitz-1890.djvu/98&oldid=- (Version vom 20.8.2021)