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es jemals werden. Sie ist eine Urenkelin von Johann Matthias Gesner, der eine der ersten Zierden der hiesigen Universität war, und dem Ernesti in der einfachen Lebensbeschreibung das schönste Denkmal gesetzt hat. Gesner’s Tochter war mit dem Professor Huber, der von hier aus einem Rufe nach Kassel folgte, verheirathet. Sie hatte, nach einem guten Miniaturbild zu urtheilen, noch in ihrem Alter lebendige, ausdrucksvolle Züge, und noch vorhandene, lateinische Briefe, die sie an den Vater schrieb, beweisen ihre gelehrte Bildung, die man der einzigen Tochter eines ausgezeichneten Philologen wohl vergönnt. Auch von ihrer Mutter besitzen wir noch ein werthgehaltenes Andenken, das ich wohl als ein Beispiel einfacher Sitten anführen darf: ein Tafelzeug von der feinsten Art, welches sie mit eigenen Händen hier gesponnen hat. Als ihre Enkelin, die Mutter meiner Frau, mit ihrem Bruder, dem vor etwa zehn Jahren verstorbenen Geheimenhofrath Huber, der vom Vater Anhänglichkeit an Göttingen geerbt hatte und sich Blumenbach’s Freundschaft erfreute, nach dreißig oder mehr Jahren wieder einmal hierher kam, erinnerte sie sich bei dem Anblick der Bibliothek deutlich, wie sie als kleines Kind auf den Stufen der Treppe in der Nähe des Brunnens gesessen und in einem von dem Großvater, (der quer gegenüber wohnte), erhaltenem Buche gelernt habe. Sie war mit Hrn. Rudolph Wild, Apotheker zur goldnen Sonne in Kassel, verheirathet, dessen menschenfreundliche, mildthätige Gesinnung, noch jetzt, nachdem er schon fünfzehn Jahre todt ist, bei vielen Bewohnern Kassel’s im Andenken steht.

Mir wurde im April 1826 ein Knabe geboren, der von meinem Bruder den Namen Jakob erhielt; das liebe Kind starb schon im Dezember desselben Jahrs und liegt neben meiner Mutter begraben. Der Zweite, im Januar 1828 geboren, ward nach dem mütterlichen Großvater Hermann, nach dem väterlichen Friedrich genannt. Der Dritte ist hier, im März 1830, zur Welt gekommen, und ein neues Band, das mich an Göttingen knüpft. Er heißt Rudolf, nach meinem Schwager, dem Obermedizinalassessor Dr. Wild in Kassel, ebenso hieß aber auch dessen Vater und Großvater, (welcher aus Bern nach Kassel gezogen war und den das Heimweh früh ins Grab gebracht hatte); Georg heißt er nach Hofr. Benecke, dessen bewährter Freundschaft wir es verdanken, wenn wir uns bei unserer Ankunft hier nicht fremd fühlten; Ludwig nach meinem Bruder, dem Maler, und dem Obergerichtsrath Hassenpflug in Kassel, mit welchem unsere einzige Schwester verheirathet ist.

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Wilhelm Grimm: Selbstbiographie. Chr. Garthe, Marburg 1831, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Selbstbiographie_(Wilhelm_Grimm).pdf/19&oldid=- (Version vom 1.8.2018)