- e) Drama, Tragödie, Komödie: die Klemme spitzt sich zu, spießt sich und erregt im Publikum die dumpfe Vermutung, daß ein Cinéma wohl doch das beste zweite Dessert sei (mangels Poussagen).
In summa, meine Kleinen: die Kunst war eine Kinderkrankheit.
10º hat man nie einen Gedanken. Bestenfalls tut der Gedanke so, als ob. (Immer aber sein Einherredner!) Jedes Wort ist eine Blamage, wohlgemerkt. Man bläst immer nur Sätze zirkusähnlichsten Schwunges über Kettenbrücken (oder auch: Pflanzen, Schlüchte, Betten). Günstiger Vorschlag: man figuriere sich vor dem Einschlafen mit heftigster Deutlichkeit den psychischen Endzustand eines Selbsttöters, der durch eine Kugel sich endlich Selbstbewußtsein einloten will. Es gelingt jedoch nur dann, wenn man sich zuvor blamiert. Schwer blamiert. Entsetzlich blamiert. Ganz maßlos blamiert. So grauenhaft blamiert, daß alles mitblamiert ist. Daß jeder metaphorisch auf den Hintern fällt. Und niest.
11º Interjektionen sind am treffendsten. (Ach die lieben weißen Porzellanteller!) … Man muß diese Amphibien und Lurche, die sich für zu gut halten, Esel zu sein, zur Raison bringen. Indem man sie ihnen austreibt. Auspeitscht! Man muß dieses schauderhafte überlebensgroße Ansichtskartenblau, daß diese trüben Rastas an den He- Ho- Hu- Ha- (wie bitte?) Himmel hinaufgelogen haben, herunterfetzen. Man muß sein Haupt zag, aber sicher an das des Nachbarn titschen wie an ein faules Ei (gut, gut). Man muß das gänzlich Unbeschreibliche, das durchaus Unaussprechbare so unerträglich nah heranbrüllen, daß kein Hund länger so gescheit daherleben möchte, sondern viel dümmer. Daß alle den Verstand verlieren und ihren Kopf wiederbekommen. Man muß ihnen die Prozente, die Bibelsprüche, die Mädchenbusen, die Pfannkuchen,
Walter Serner: Letzte Lockerung. Paul Steegemann Verlag, Hannover 1920, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Serner_-_Letzte_Lockerung,_1920.djvu/10&oldid=- (Version vom 9.9.2019)