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Sport und Abstinenz
Oskar Kilian.

Wenn die Zeit der Wanderfahrten und der Schnelligkeitswettbewerbe heranrückt, vergeht nicht nicht eine Woche, ohne daß den Leuten, die auf diese oder jene Weise sich sportlich betätigen wollen, allerlei gute Ratschläge gegeben werden, wie und was sie essen und trinken bzw. was sie nicht essen und trinken sollen. So gut das alles gemeint sein mag, eins ist sicher: wer nach den gegebenen „praktisch Winken“ seine Wanderfahrt richtet, hat auf dieser wenig Vergnügen und wer seine Rennvorbereitungen nach den „weisen Trainingsregeln“ trifft – wir haben hier nicht den Berufsrennfahrer im Auge – lebt in mönchischer Askese. Beides aber ist ein gewaltiger Unsinn. Eigene langjährige Erfahrungen auf weiten Wanderungen und im Wettbewerb haben uns bestätigt, daß der gänzliche Verzicht auf gewohnte Reizmittel dem Menschen mehr schadet als nützt. Und wir stehen mit dieser Meinung nicht allein. Professor Dr. Hueppe hat in einem bemerkenswerten Vortrage über „Abstinenz und Alkoholismus“ ausgeführt, daß immer und überall die Menschen sich zur Nahrung Reizmittel zu verschaffen wußten, unter denen die alkoholischen Getränke eine der ersten Stellen einnehmen. Weiter aber zeigte der Gelehrte, daß die Begriffe Nahrungstoff und Gift nur relativen Wert haben. Gibt es doch sogar giftiges Eiweiß, und Eiweiß ist bekanntlich das Idealnahrungsmittel. Bei der Gewinnung von Kraft und Energie unseres Körpers arbeiten dessen Zellen wie Akkumulatoren, die rechtzeitig geladen werden müssen, geladen aber auch von der sofortigen und ständigen Zufuhr von Energie abhängig sind! Unsere Maschine ist keine Dampfmaschine, sondern eine chemische Kraftmaschine, und deren Energie muß auch richtig ausgelöst werden. In diesem Sinne nun kann auf Grund einwandfreier Versuche als sicher festgestellt gelten, daß Alkohol für andere kohlenstoffhaltige Mittel, wie Zucker oder Fett, energetisch gleichwertig eintreten und Eiweiß sparen kann, daß er also in gewissen Grenzen ein Nahrungstoff ist. Aber als Nahrungstoff selbst ist er zu teuer und mit Nebenwirkungen ausgestattet, die wir nicht wünschen.

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Oskar Kilian: Sport und Abstinenz. Deutscher Radfahrer-Bund Gau 20 Berlin, Berlin 1907, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Sport_und_Abstinenz_(Oskar_Kilian,_1907).pdf/1&oldid=- (Version vom 7.1.2019)