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Well! rief Rochester im Abgehen. Wir werden ja sehen! Dieu et mon bonheur, pas mon droit! Buckingham, auf die Versprechung des geizigen Königs Carl rechne ich nicht; aber Deine zweitausend Pfund, Bothwell, sind, wie die Seele eines Juden, verloren! Fare well!

Einige Tage später landete John Wilmot im Haag und begab sich sofort zum Palaste des Rathspensionairs.

Cornelius de Witt, ein hagerer, eiskalter Holländer, wußte zuerst nicht recht, was er aus dem beweglichen, zierlichen John Wilmot machen sollte. Er schien nicht zu begreifen, daß man einem solchen Hasenfuße eine höchst wichtige, vertrauliche Mission hatte übertragen können, die dem Unterhändler durchaus freie Hand ließ. Rochester indeß wußte den Seemann dennoch mit bekannter Kunst einzunehmen, und obwohl de Witt vorsichtig nur einen Schritt nach dem andern in der Unterhandlung weiter ging, so gestand sich John Rochester dennoch entzückt, daß diese Viertelstunde mehr Resultate als die dreimonatlichen Berathungen der zu Breda streitenden Diplomatie aufzuweisen habe. Rochester, der feilste Höfling, war dennoch, dem gesunden Kern seines Wesens nach, ein durchaus republikanischer Geist, wie die meisten seiner Gedichte bezeugen. Wie hätte de Witt dem interessanten, geistreichen Taugenichts[1] widerstehen können, als derselbe declamirte: „So lebe denn wohl, geheiligte Majestät! Alle Tyrannen werden in den Staub zu Füßen des Thrones gestürzt werden! Wo Menschen frei geboren sind und noch frei leben, da ist jedes Haupt ein gekröntes![2]

– König Carl will Geld! war der Refrain des Lords.

– Holland will Land und Leute in Bengalen, Bahar und Crixa, sammt Aufhebung der Monopole, und dann fordere König Carl II. was er will; wir bezahlen! erwiderte de Witt. Wir sind also der Hauptsache nach einig . . .

Einige Minuten später waren die beiden Männer jedoch aufs Heftigste entzweit. Rochester nämlich konnte sich immer nur eine Zeit lang vernünftig benehmen, dann brach sein Leichtsinn, seine Leidenschaftlichkeit, sein liederliches Wesen nur desto stärker hervor. Lord John war nur allzulange vernünftig gewesen; der Vulkan bedurfte einer Eruption. Es fehlte blos noch eine Gelegenheit, damit die verderbliche Seite des Lords sich in ihrer vollen Ausdehnung geltend machte. Unglücklich genug zeigte sich diese, als John Wilmot die Gemächer des Rathspensionairs verließ, eben in dem Augenblicke, als der Cavalier sich mit großer Selbstzufriedenheit, mit wahrem Vergnügen gestand, daß er gegen den ehrwürdigen Holländer sich excellent und als ein ganzer Mann benommen habe.

Rochester ging die mit prächtigen Gemälden gezierte Gallerie hinab, da öffnete sich eine Thür zu seiner Seite; schwere Seide rauschte, und die Secunde darauf stand unmittelbar vor dem Engländer eine Dame von solcher bezaubernden Schönheit, daß Rochester, unfähig, einen Schritt vorwärts zu machen, wie eine Bildsäule stehen blieb. Hoch und schlank von Wuchs war diese Niederländerin ein vollendetes Weib von etwa zweiundzwanzig Jahren, mit strahlenden, sehnsuchtsvollen, blauen Augen, mit dem reizendsten, zum Herzen sprechendsten, von prächtigem, krausem Blondhaar umgebenen Antlitze von der Welt. Sie betrachtete den schönen Engländer


  1. Rochester hatte wirklich den corrumpirt-italienischen Spitznamen: Tunnicotto! Thunichtgut!
  2. Schlußstrophe der Satyre: „Die Wiedereinsetzung.“
Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/125&oldid=- (Version vom 1.8.2018)