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kleinen Lever können Sie ihr Alles sagen, was sich auf meinen Punkt bezieht. Und wagen Sie den Schritt nicht, so ist der Narr von Louvois der enthusiastische Anbeter Ihrer Schwester Athenais. Ein Wort zu dieser wird sofort den Weg zu der Maintenon und zum Könige finden. Ich fordere Sie auf, für mich zu wirken, Fürsprache für mich einzulegen, damit ich schleunigst wieder zu Gnaden angenommen werde.

Cobrion war sehr lebhaft geworden. Fontanges sah diesen gefährlichen Speculanten mit einem lauernden Blicke an.

– Es ist möglich, Cobrion, erwiderte er, daß man in Paris Eure großartige Idee goutirt; aber sehr wahrscheinlich, daß man sie in diesem Falle ausführt, ohne sich um Euch zu bekümmern.

– O, keine Furcht deshalb! Man wird mich nothwendig haben, damit der Gedanke verwirklicht werde, so wie es die Maintenon verlangt. Und ich kann immer, dafern ich wieder zu Gnaden komme, sofort das in mich gesetzte Vertrauen glänzend rechtfertigen. Wirken Sie mir die Erlaubniß aus, daß ich nach Paris zurück kann, und ich werde ein seltenes Kleinod am Hofe vorstellen können.

– Wozu die Worte? Man glaubt Euch ja doch nicht.

– Werden Sie mich reden lassen? fragte Cobrion sehr aufgebracht. Die Maintenon wird durch Sie unzweifelhaft überführt werden, daß sie eine solche wahrhaft holländische Schönheit, von feinster Bildung, von dem demüthigsten Temperamente nie dachte. Erheben wir uns; es ist Morgen geworden. Sie sollen sogleich diese arme und doch so elegante Goldstickerin bewundern und wenn Sie gesehen haben werden, daß Occa de Kuyper unvergleichlich ist für ihre Rolle, dann wird es Zeit sein, dafür zu sorgen, daß man mir in Paris Glauben schenke . . .

Der Marquis war durchaus ein pariser Höfling jener Zeit und als solcher nicht wenig verderbt. Dennoch wandte er sich mit tiefer Verachtung von Cobrion ab, der im Fluge ihm die dunkelste Seite des pariser sittenlosen Hoflebens enthüllt hatte. Ungeachtet dieser lebhaften Abneigung und einer nicht geringen Furcht, welche er vor dieser Klapperschlange empfand, ward dennoch durch dieselbe sein Interesse nicht wenig erregt.

Fontanges bezahlte seine eigene und die Zeche des ehrenwerthen Cavaliers, wofür dieser graziös dankte, nahm Hut und Degen und ging mit Cobrion zum Hause hinaus.

Es war Morgen geworden. Die öden Straßen fingen an lebendig zu werden. Cobrion unterhielt den Marquis von der schönen und sanften Occa, von seinen Künsten, die er aufgewendet habe, um sich ihrer Zustimmung zu einer Reise nach der Hauptstadt Frankreichs zu versichern, und setzte den lebhaften Fontanges durch seine paniskenartigen Schilderungen nicht wenig in Flammen.

In einer entfernten Vorstadt hielt Cobrion an und deutete auf ein kleines Haus, dessen Hausthür bereits halb geöffnet war und dadurch die Rührigkeit der Hausbewohner verrieth.

Lautlos schlichen die beiden Franzosen über den kleinen Flur und traten ohne anzuklopfen in das Gemach.

Fontanges unterdrückte kaum einen Ausruf der Bewunderung, als er vor dem einen Flügel des ärmlichen Fensters ein geschmackvoll gekleidetes Mädchen erblickte, das die sanfte Ruhe der Unschuld in ihren Zügen und daneben einen nicht gewöhnlichen Geist in dem Blicke ihrer

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 347. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/364&oldid=- (Version vom 1.8.2018)