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nicht; statt des mächtigen Studentenhutes mit der wehenden Feder drauf trug er jedoch ein einfaches Sammtbaret, das als ganzen Schmuck an der Seite nur einen mit Edelsteinen gezierten, glänzenden Ring zeigte, dessen zierlicher Durchmesser leicht errathen ließ, daß eine schöne Damenhand das Kleinod getragen habe.

Das eigenthümliche Baret ließ den Malerschüler erkennen. Der Künstler sprach aus dem sanftblickenden Auge, aus der halb schwärmerischen Beschaulichkeit, womit der Reiter die herrlichen Tinten betrachtete, welcher die immer rascher sinkende Sonne über das Meer zu seiner Linken und über die Gebirgsgegend der Küste ausgoß. Von Zeit zu Zeit hielt der Reisende sein Roß einige Minuten an, entblößte eine Hand, zart wie diejenige einer Dame, und zeichnete rasch einige Hieroglyphen in sein Taschenbuch, um die wechselnden Lichteffecte und das Verschmelzen der Farben in dieser abendlichen Landschaft durch seinen einfarbigen Stift festzuhalten. Dann ging’s rasch wieder vorwärts auf der schlechten, fast durchaus menschenleeren, steinigen Straße.

Kurz vor Sonnenuntergang erblickte dieser bolognesische Reiter auf dem Schnitte eines sanft ansteigenden Theiles der Straße eine von einem berittenen Cavaliere begleitete mächtige Carosse, welche sich so langsam fortbewegte, daß er dieselbe bald einholte. Als er in die unmittelbare Nähe des Fuhrwerkes kam, hielt der Begleiter desselben sein durchaus abgetriebenes Pferd an, ritt mitten auf die Straße, machte gegen den Jüngling Front und zog, nachdem er die Halfterklappe von seinen Pistolen zurückgeschlagen, einen Degen, welcher eine Art von Zwillingsbruder von dem Bratenspieße des Malers zu sein schien.

Dieser hielt sehr betroffen sein Pferd an und zog seine Waffe fast ohne es zu wissen. Derjenige, welcher ihm hier so unerwartet den Weg verrannte, war ein Mann von etwa dreißig Jahren, in durchaus französischer, halb militairischer Tracht, mit dem Federhute eines Cavaliers versehen. Der Blick aus seinen dunkelglühenden Augen erweckte für diesen hohen und schlanken schnurrbärtigen Kämpfer unwillkürliche Achtung, zumal bei dem zierlich gebauten Maler, der augenblicklich einsah, er werde, wenn ihm nicht die Schnelligkeit seines Rosses zur Hülfe komme, diesem Schlagfertigen erliegen.

Qui vive? rief der Cavalier. Wer seid Ihr und was wollt Ihr von mir?

– Signor! antwortete der Bolognese; ich müßte mich sehr täuschen, oder Ihr seid kein Straßenräuber, dem es um meine freilich nicht schwere Börse zu thun ist . . .

– Wie! Ein Bandit, mein Herr? rief der Andere erstaunt aus, erst den Maler und dann sich selbst und seinen in Unordnung gekommenen Anzug musternd. Morbleu! Wie dürft Ihr Euch unterfangen, einen Edelmann für einen Landstraßenräuber zu halten . . .

Der Maler stieß seinen Degen in die Scheide und ritt dreist an den Franzosen hinan.

– Mein Herr, ich sehe, meine Erscheinung macht Euch nicht weniger besorgt, als im ersten Momente die Einige Euren ergebensten Diener.

– Besorgt? sagte der Franzose, fast höhnend seine Lippen aufwerfend.

– Si, Signor! Es ist mir nicht beigekommen, Euch oder jene Kalesche zu verfolgen!

– Ah, mein theuerster Mann, wie kannst Du den Feind verfolgen, bevor du ihn geschlagen hast . . . murmelte der Franzose, aber es war ersichtlich, daß ihn diese friedlichen Auseinandersetzungen sehr erleichterten. Sein Blick war wenig düster, seine Miene weniger gepreßt.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 460. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/477&oldid=- (Version vom 1.8.2018)