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von ihm mit ausgezeichnetster Sorgfalt zur Violinspielerin gebildet, war von ihm bestimmt, die Gattin eines der bedeutendsten Künstler Europas zu werden. – Einen Meister wie mich, bedarf das Mädchen; rief der Alte; sonst überragt sie ihn, und es soll nimmer sein, daß die Frau dem Manne überlegen ist!

Also ein bedeutender Künstler! Das war Nederhouts Parole für seinen demnächstigen Schwiegersohn. Unter Künstler verstand er aber nur Musiker; kaum ließ er Dichter unter diesem Namen gelten. Maler aber waren ihm nichts, als bloße Techniker, die handwerksmäßig mit Farben arbeiteten. Slingelands Bewerbung war also von vornherein müssig, total hoffnungslos.

Noch ein Mal versuchte es der Maler, dem Musiker und Componisten vernünftigere Ideen beizubringen. Vergebens, der Eigensinnige blieb unerbittlich.

– Marie muß die meinige sein! rief Slingeland leidenschaftlich. Es muß, ich sage Euch Mynheer Nederhout, es muß einen Weg geben, um sie mir zu erringen!

– Allerdings, allerdings, mein Freund! sagte der Musiker mit spöttischem Lächeln.

– Redet, verlangt, was Ihr wollt . . . Meine Liebe ist allmächtig; ich werde sicherlich Euren Forderungen genügen!

– Wollen sehen! Mynheer van Slingeland, gegen Euch speciell habe ich nicht das geringste einzuwenden. Thut mir die Liebe und zeigt Euch mir als Virtuose und Marie ist die Eurige . . .

– Ah! schrie Slingeland. Ihr seid ein Tirann, grausamer als ein Tiger; Ihr wißt nur zu genau, daß ich zu wenig Gehör habe, um nur drei Noten richtig zu singen . . .

– Was wollt Ihr denn? Dann seid Ihr ja, was ich im Stillen längst wußte. Ihr gesteht’s ja zu, daß Ihr trotz Eurer Malereien, die Ihr Kunst scheltet, nichts mehr und nichts weniger, als ein Barbar seid!

Slingeland schien in diesem Augenblick dieses selbst ungefähr einzusehen. Er stieß centnerschwere Seufzer aus.

– Glaubt Ihr, Mynheer, sagte er nach sehr langer Pause, daß es mir, vielleicht unter Eurer gefälligen Anleitung, noch möglich werden würde, in der Musik so viel zu leisten, um Euren Forderungen zu genügen?

Der Musikant zuckte die Achseln.

– Versuchen kann man wenigstens Alles! sagte er.

– Ich erinnere mich, fuhr Slingeland eifriger und hoffnungsvoller fort, daß Raphael Sanzio einst an dem Tiber von Bravi’s überfallen wurde; daß ihn ein Schmiedeknecht, ein Harnischmacher errettete. Mir kömmts in den Sinn, daß dieser Panzerschmied eine Geliebte besaß, welche der Vater – ein Maler – nur einem Künstler, einem Manne seines Gewerkes, zur Frau geben wollte.

Mynheer Nederhout nickte ziemlich ungeduldig.

– Seht Ihr! ganz ein Fall wie der meinige! sprach Slingeland weiter. Was geschah! Der Panzerschmied vertraute dem Maler sein Leid und gestand ihm, er sei nur nach Rom gekommen, um malen zu lernen. Raphael ward aus Dankbarkeit sein Lehrer und – schändlich – daß ich den Namen des neuen Meisters nicht weiß – aber wüßte ich ihn, so würdet Ihr sehen, daß dieser Schmied ein so braver Maler wurde, daß der Entschluß des Vaters seiner Geliebten,

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 782. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/799&oldid=- (Version vom 1.8.2018)