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Spieler – dies unheimliche Kleeblatt – verräth dies Gemälde den schon ausgebildetern Künstler, welcher sich der Gesetze der Schönheit mehr bewußt geworden ist. Die Composition ist umfassend geworden und beschränkt sich nicht auf die blose Darstellung eines schlagenden Moments durch drei oder vier aufs tiefste erregte Figuren. Die Zeichnung, obwohl wie immer bei Caravaggio nicht durchaus fehlerfrei, ist sicher und dabei sorgfältig und die Costume sind sehr effectvoll gewählt. Man wird jedoch schon an den Gesichtern der Soldaten den Meister wiedererkennen, welcher den treffendsten Ausdruck charactervoller Erregbarkeit so vollkommen in der Gewalt hatte, daß man seinen Figuren die Gedanken und Empfindungen vom Gesicht abzulesen im Stande ist. Hier ist nichts Gemachtes, nichts Ideales; sondern kräftig in einem vollen Strom hervorsprudelnde Naturwahrheit, deren tiefer Wirkung sich der Beschauer nicht zu entziehen vermag. Mit unvergleichlicher Kunst ist namentlich der junge, schwarzbärtige Soldat gemalt, welcher vor noch beendigtem Spiele ganz unfehlbar weiß, daß das Geld seines unerfahrnen Kameraden auf diesseit des antiken Steintisches in seine Tasche wandern wird. Das Meisterbild ist vortrefflich beleuchtet und kräftig gefärbt.




Venedig.
Von Antonio Canale.

In Antonio Canale, oder wie er öfter genannt wird, Canaletto, begrüßen wir einen der vorzüglichsten Landschafts- und Architecturmaler Italiens. Der Meister ward in Venedig 1697 geboren, und diese gefallene Beherrscherin der Wogen ist es, welche ihm den Stoff für seine meisten und schönsten Gemälde gegeben hat. Hauptsächlich durch eignes, unermüdliches Studium gebildet, ruht Canale’s Kunst auf der genauesten und liebevollsten Beobachtung der Natur und sicher wird er von keinem andern Landschafter durch die Treue der Darstellung überflügelt. Seine Kenntniß und die glückliche Anwendung der Perspective ist eminent, und dieser Umstand ist eine große Ursache der ungemeinen Klarheit, welche in seinen Werken hervortritt. Die frischeste Färbung und eine sehr zarte Abdämpfung der Tinten verleihen Canale’s Bildern einen höchst einnehmenden Reiz. So wie Canale es verstand, der alten Venezia immer neue Seiten abzugewinnen, so unerschöpflich ist derselbe auch in der Erfindung der lebendigsten, wechselndsten Staffage, welche stets so angeordnet ist, daß sich die Landschaften oder die Bauwerke dadurch erst recht in ihrer Eigenthümlichkeit hervorheben. So reich der Gewinn war, den der Künstler aus seinen Gemälden in Venedig zog, so ließ er sich doch durch die Aussicht auf die Preise, welche englische Kunstfreunde ihm boten, bewegen, nach London zu reisen und sich dort niederzulassen. Seine dort vollendeten Gemälde, reizende Gegenden – worunter viele Phantasielandschaften – sind zwar noch reich an den Vorzügen, die den Maler auszeichnen, stehen im Allgemeinen aber seinen venetianischen Arbeiten, auch in dem Colorit nach. Canale’s Tod erfolgte in London 1763. Mit Antonio Canale nicht zu verwechseln ist der Neffe desselben, Bernardo Bellotto, auch Canaletto genannt, welcher auch als Kupferstecher arbeitete. Canaletto wußte in seinen Gemälden die Weise seines Oheims so täuschend nachzuahmen, daß es zuweilen schwer wird, die Bilder der beiden Meister zu unterscheiden. Doch arbeitete Bernardo Canaletto meist flüchtiger als sein

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 797. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/814&oldid=- (Version vom 1.8.2018)