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Einzig aber war Anna. Wie schwebte sie, wie wiegte sie sich auf den Hüften, mit welcher unnachahmlichen Grazie sank sie nieder auf das eine Knie um sich federgleich wieder emporzuschnellen. Wie rosig glühte ihre Wange, wie lebensvoll blitzte ihr Auge, wenn es sich jetzt nicht mehr demüthig und beschämt, sondern, von dem Gefühle der frischen Lust beseelt, fast herausfordernd auf den Geliebten richtete! Schöner war sie nie! Das war die Schönheit, welche Cornelius Liljedorp’s Herz so lange ersehnte, das war der lebendige, freie Reiz, den sein Herz bisher an Anna vermißt und den er an der coquettirenden Jacobaea so hinreißend gefunden hatte. Sicherlich, Anna war nichts weniger, als ein halb melancholisches, beschauliches Wesen; auch in ihren Adern strömte feurig das Blut, auch sie war, und mehr als die im Innern hohle Jacobaea, im Stande, volle lebensreiche Liebe zu spenden. – Rasch machte sich Liljendorp von Jacobaea’s Arme los, wie in einer Art Begeisterung flog er auf die Geliebte zu und im nächsten Augenblicke wirbelte er, eng mit ihr verschlungen, so körperlich als geistig, durch die frohen Paare der Tanzenden.

Bosch musterte mit wohlgefälligem Lächeln die Scenerie in seiner Umgebung. Er, Holländer durch und durch, war selbst über die schärferen Pinselstriche in diesem Gemälde nicht ungehalten, denn hier war Alles, bis aufs geringste, ächt vaterländisch. Diese dicke holländische Bauerfrau mit dem Bierglase zwischen den Händen, welche mürrisch sich von ihrem alten Ehemanne und den Nachbarn den Hof machen ließ; diese „sehr Erheiterten,“ welche schliefen, oder mühevoll aus der Hinterpforte geleitet wurden; diese niederländischen Politiker mit dem Schloßförster vor dem Wirthshause, die Enthusiasten vor der Thür desselben, von der Wirthsfrau höchst phlegmatisch angestarrt; diese zechenden Domine’s und Schulmeister an einem Nebentische – Alles war ein Beweis, daß das alte Volksleben Hollands sich unverfälscht erhalten habe.

Mit wahrer Heiterkeit mischte sich Jacques van Bosch mit seiner etwas widerstrebenden Gemahlin in den Reigen und als endlich der Mond aufging, als die noch Stand haltenden Männer und Burschen der Gesellschaft in dem freigebig von dem Edelmanne gespendeten Weine Gesundheiten zu trinken begannen, da gingen das edle Ehepaar und Cornelius Liljedorp mit Anna im höchsten Glücke nach Hause zurück. Anna hielt den Geliebten dasmal für ewig gefesselt.

Jacobaea aber, höchst übellaunig, sang heute Abend nicht und reisete am andern Morgen unter einem Vorwande ab, um nicht Zeugin sein zu müssen, wie Anna sich mit Demjenigen verlobte, welchen sie von Rechtswegen als ihr Eigenthum angesehen hatte.




Die heilige Nacht.
Von Correggio.

Außer der Sixtinischen Madonna von Raphael giebt es vielleicht in der ganzen Malerei aller Zeiten und Schulen kein Gemälde, welches einen solchen Weltruhm besitzt, als Correggio’s „heilige Nacht“, das schönste Bild dieses Malers. Correggio malte dasselbe im Jahre 1528 für die Familie Pratoneri zu Reggio, von welcher das große Werk in die dortige Kirche von San Prospero gegeben wurde. Anno 1640 kam dasselbe in die Gallerie zu Modena und fünf Jahre später wars, daß August III. Kurfürst von Sachsen mit mehren andern Gemälden die „heilige Nacht“ erstand. Den Original-Carton bewahrt die königliche Gallerie zu München.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 811. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/828&oldid=- (Version vom 1.8.2018)