Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen | |
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um sie uns mitzutheilen. Ich wünsche sie aber gelegentlich doch zu erhalten: 1) vom zweigeschwänzten Löwen im böhmischen Wappen, 2) von Hainz von Stain (bairisch), 3) von der Klettenberger Höhle, 4) von den nackenden Mägden zu Magdeburg, 5) von der verfluchten Todtenglocke zu Hartenstein im Erzgebirg, 6) von der Nonne zu Gehofen in Thüringen, 7) vom Twingherr zu Ringgenberg, 8) vom Alp auf dem Rützliberg, 9) vom Leukerthal, 10) vom Vöglein v. Kyburg, 10) vom Drachenfels, 11) von der Noth Gottes am Rhein.“ (Vgl. die Sagen, die Wilhelm von Albert von Boyneburg haben mochte, „Zeitschr. f. d. A.“ 41, 117.)
Auf diese Fragen hat Jacob, wie es zu gehen pflegt, niemals einen schriftlichen Bescheid erhalten. Mit Wilhelm sah Ferdinand sich Anfangs Juni in Wiepersdorf wieder. Bald traf auch das fertige Exemplar der Deutschen Sagen bei ihm in Berlin ein. Der Band war „Unserm Bruder Ludwig Emil Grimm aus herzlicher Liebe zugeeignet“; am Schlusse der Vorrede heißt es: „(Wir) danken hiermit öffentlich unserm Bruder Ferdinand Grimm und unsern Freunden August von Haxthausen und Carove, daß sie uns schon fleißig unterstützt haben“. Ferdinand antwortete am 15. Juni: „Liebster Jacob, ich danke hertzlich für das schöne Sagenbuch, und daß ihr mich drinn erwähnt habt, für das Wenige, was ich zugegeben. Auch ists recht schön, daß ihr dem Luis das Buch zugeeignet, dem es gewiß Freude gewährt. Die Eintheilung ist auch recht gut: ich hoffe für das Buch viel Freunde, dann solls an Beiträgen nicht mangeln, denn unbestreitlich lassen sich noch eine bedeutende Zahl Sagen zusammenfinden. Vielleicht könnt ihr einen Band noch vor den historischen, oder einen Theil von diesen zu den örtlichen herausgeben. In diesen Tagen sind mir mehrere sehr schöne mündlich zugekommen, und denke mir durch das Buch andere zu gewinnen.“
Arbeitende Menschen machen die Erfahrung, daß ihnen bei jedem Werk, das sie fertigstellen, von seiten der Empfangenden bereits auch schon die Frage: Wann erscheint der nächste Band? entgegenschallt. So erging es damals Jacob und Wilhelm Grimm. Kaum daß ihr Sagenbuch da war, fragte auch schon Ferdinand am 21. August 1816 aus Berlin die Brüder: „Wie geht es mit dem 2. Bande der Sagen? ich kann euch, sobald ihr wollt, was ich noch dazu habe, schicken. Nicolais zeigen das Buch fleißig an, und es geht recht ordentlich.“
Die in den öffentlichen Rezensieranstalten geübte handwerksmäßige Kritik verhielt sich ziemlich gleichgültig oder überklug gegen die Sagen, so daß Ferdinand Grimm, der die gewöhnlichen Blätter dieser Art verfolgte, am 8. September 1816 den Brüdern meldete: „Im Freimüthigen hat einer (vielleicht Horn) die Sagen
Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. Georg Westermann, Braunschweig und Berlin 1916, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Ueber_Grimms_Deutsche_Sagen.djvu/13&oldid=- (Version vom 1.8.2018)