Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen | |
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Sie sagen, daß „die Toten … diese Unholde tapfer abwehrten“, während Otmar bietet, daß „die Toten … sich gegen diese Unholde tapfer wehrten“. Es ist klar, daß Otmar der Erklärung des Namens Wehrstedt näher steht.
Nr. 330 (Die weiße Jungfrau zu Schwanau). Grimms geben die Sage nach Joh. v. Müllers Geschichten Schweizerischer Eidgenossenschaft 2, 3 mit fast wörtlicher Anlehnung an Müller, nur den Eingang haben sie gemacht. Der lautet bei ihnen: „Die freien Schweizer brachen die Burg Schwanau auf dem Lowerzer See“. Darin steckt jedoch ein Irrtum. Denn Müller sagt: „Schwanau war auf der größern, Lowerz auf der kleinern Insel“, daraus konnten die Brüder nicht mit Recht ihren Text bilden.
Nr. 326 und 342 (Es rauscht im Hünengrab – Das weissagende Vöglein). Die beiden aus Micrälius „Sechs Büchern vom alten Pommerlande“ (Stettin und Leipzig) genommenen Sagen schließen sich im ganzen an den Urtext an; in der ersteren aber muß es heißen, wie im Urtext, daß man 1594 die Hünengräber „klauben und abschlichten“ (nicht „kleuben und abschlichten“) ließ.
Nr. 334 (Einladung vor Gottes Gericht). Die Quelle ist Prätorius in seiner Weltbeschreibung 1, 285 ff. Die Grimmsche Sage schließt sich eng an den Text an, von dem sie nur in Kleinigkeiten, einmal vielleicht auch mißverständlich abweicht. Zwei Stellen aber sind bei Grimms nach der Quelle zu verbessern. Der Pferdedieb hatte sich, wie ausdrücklich erzählt wird, in „Bettlerskleidern“ gehüllt, um dem Pfarrer unerkannt das Pferd zu stehlen: er kann deshalb auch nicht, als ihm sein Anschlag gelingt, die „Bauerskleider“ abwerfen und davonreiten, sondern es muß bei Grimms, wie auch bei Prätorius an dieser Stelle, „Bettlerskleider“ heißen. Weiterhin wird bei Grimms erzählt, daß „damals Rauberei im Lande war, sonderlich Gregor Maternen Reuterei, aus welchen (!) einer den Hauskomtur D. Eberhard von Emden erstochen hatte“; Prätorius hat das richtige „aus welcher“, was also in den Grimmschen Text einzuführen war. Ich erwähne nebenbei, daß Prätorius immer „Reuter“ und „Reuterei“ hat, das ich wieder in Grimms Sage zurückführte, in der nur einmal „Reuter“, sonst die moderne Wortform steht.
Nr. 344 (Der Kessel mit Butter). Die Sage ist mündlich: sonst, in der Grammatik, heißt es immer „der“ Anke.
Nr. 346 (Das Christusbild zu Wittenberg). Savigny, Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung usw., 1814, S. 160, bietet, gering abweichend: „So ist irgendwo ein wunderthätiges Christusbild gewesen, das die Eigenschaft hatte, eine Hand breit höher zu sein, als der größte Mann, der sich daran stellen mochte: kam aber ein Mann von mäßiger Größe, oder ein kleiner, so war der Unterschied dennoch derselbe, nicht größer.“
Reinhold Steig: Über Grimms „Deutsche Sagen“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. Georg Westermann, Braunschweig und Berlin 1916, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Ueber_Grimms_Deutsche_Sagen.djvu/41&oldid=- (Version vom 1.8.2018)