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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica

L. 2. c. 11. nachzusehen.

Etliche wollen das teutsche Wort Tanne / oder Danne von ausdehnen / wegen deßen Länge herführen / sintemahl dieser Baum sehr hoch und gerad ist / welcher in diesen Stück die Fichte übersteiget / und also hierinnen den Cedern gleich gehet / wie denn diese beyde auch in der H. Schrifft zusammen gesetzet werden / und sonsten auf dem Berge Libano gewachsen.

§. 14. Die Tanne wächset auch in America und wird von dannen in Europam zu Mast-Bäumen ausgeführet.

Es hat aber dieser Baum ein schön grünends Haupt / und auch für andern Bäumen eine ziemliche Hertz-Wurtzel / welche den Stamm fest hält / und nicht leicht umfallen läßet: die andern Wurtzeln sind zwar auch starck und ausgebreitet / aber nicht tief in die Erde absteigend; derowegen sie offt von Winden ausgerißen wird / und schläget alsdenn einer den andern nieder / daß sie bey hunderten / ja bey tausenden darnieder liegen / und die Wurtzeln / sammt der daran hangenden Erden in die Höhe stehet / welcher Schade / und grausamer Prospect öffters mit Bestürtzung anzusehen.

Die Rinde an der Tanne ist weißlicht und dicke / aber sehr morsch und zerbrechlich / und also geartet / daß wenn sie nur ein wenig abgeschelet wird / so bringet sie dem Baum den Tod.

Es wachsen unter der Rinden offt Hüblein / Knöttlein (tubercula) so zu teutsch Tann-Blattern genennet werden / aus welchen / wenn man sie rizet / das vortrefflichste Hartz heraus flüßet / so fast dem Safft des Lerchen-Baums gleichet / aber es ist durchscheinender / und eines bitterlichen Geschmacks / und wie Dodonaeus schreibet / kommt es / dem Geschmacke nach / mit den Citronen-Schalen überein.

Die Aeste wachsen rund um den Stamm / bisweiln 4. 5. 6. auch wohl mehr in einen Circkel; die Tangeln stehen an den Aesten nicht nur auff der Seite sondern auch etzliche oben und unten / sind auswendig schwärtzlich grün / inwendig aber etwas weißer.

Das Holtz ist weiß / weich und leichte.

§. 15. Wie nur gedacht / so hat dieser Baum anfangs / wenn er noch jung / von unten an Aeste / alleine sie verliehren sich nach und nach / und wenn der Stamm größer wird / so wird er auch glatt und ohne Aeste / biß über die Helffte / daß er 6. 7. biß 8 ellichte Bret-Klötzer giebt. Der Saamen hiervon fleugt meistentheils in spaten Herbst selbigen Jahrs aus / in welchem die Zapffen gewachsen. In Nieder- oder in Holland bringen sie den Saamen aus Norwegen und ziehen etwas von dergleichen auf / sonderlich in Lust-Wäldern und Gärten. Es bringet auch eine ausgewachsene Tanne für allen andern Hartz-Holtz / die so genannte Mistel / oder Mispel. Diese hat Beerlein / einer Erbßen groß / worinnen ein weißer zäher Schleim befindlich /

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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica. Johann Friedrich Braun, Leipzig 1713, Seite 274. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Sylvicultura_oeconomica.pdf/290&oldid=- (Version vom 20.8.2021)