Gedult, was will man thun? Man muß es zwar gestehen;
Wer zu den Reichthum eilt, muß anders was ersehen,
Als Versemacher Kunst? Wer plötzlich reich will seyn,
Der löß um wenig Geld gestohlne Waaren ein,
Der trage Zungen feil, bediene faule Sachen,
Doch daß er beyde Theil ihm kan zu Freunden machen,
Geb einen Schreiber-Knecht und suche sein Gewinn.
Was nicht ins Kästlein fällt, das fällt beneben hin.
Wer plötzlich reich will seyn, muß grosse Rente heben
Und zahlen wenig aus, das kan ihm Beute geben?
Bedient er Vormundschaft er muß auf sich auch sehn;
Und solten gleich hernach die Mündlein barfuß gehn.
Wem dieses nicht gefällt, der mag ein Kaufmann werden,
So lang es halten will mit Kutschen und mit Pferden
Zum Prunck sich lassen sehn, bald gar unsichtbar seyn
Und stellen mit Vertrag sich endlich wieder ein.
Ist daß nicht seines Thuns: So kan er Leder stehlen
Und lassen doppelt theur ihm für die Stiefeln zehlen.
Der Künste seyn so viel, als wie des Ufers Sand,
Dem Meister doppelt mehr, als mir, Gott lob! bekannt.
Nun aber ein Poet weiß nichts von solchen Sachen.
Es soll die gute Kunst auch keinen Schinder machen.
Sie dient zu guter Lust, sie dient zu guter Lehr,
Sie dient Verständigen und GOtt zu seiner Ehr.
Wer Brodt erwerben will und Mittel zu dem Leben,
Der muß auf anders was hauptsächlich sich begeben,
Das Küch und Keller füllt. Wer so die Sach angeht,
Der hat was er bedarf und bleibt doch ein Poet.
Nach abgelegter Pflicht so mag er sich ergötzen
Und einen guten Vers hin zu den andern setzen.
Der Wechsel machet oft, daß uns kein Werck verdreust,
Wo sonst die Dinten gern und ungezwungen fleust.
Kommt denn zu rechter Zeit ein guter Freund gegangen;
So läst er wol einmal ein kühles Trüncklein langen,
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/107&oldid=- (Version vom 1.8.2018)