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Sie schont der Fäuste nicht, hilft ihrem Mann gewinnen,
Reitzt das Gesinde zu, hilft backen, brauen, spinnen,
Macht Butter, saltzet ein, reist einen guten Fisch,
Und schaft zu rechter Zeit was niedlichs auf den Tisch.
Geht irgendwo ihr Herr in traurigen Gedancken;
(Wie denn gemeinlich oft sich Muth und Unmuth zancken,
Wenns gleich nicht übel geht) Umfängt sie ihren Mann,
Hertzt ihn mit Hand und Mund, und spricht ihn freundlich an.

Wohlan ihr junges Volck, das zu dem süssen Lieben
Durch ein verborgnes Feur wird leichtlich angetrieben,
Da habt ihr zweymal vier. Es wehle wer da kan
Die beste von der Zahl, und sey ein Freyersmann.
Ich sage, wer da kan. Dann diß zu unterscheiden
Ist Jedermannes nicht. In einer weissen Kreiden
Liegt oft ein schwartzer Kieß. In schönen Marmelstein
Kan ein verfaultes Aaß gar wohl verborgen seyn.
Ja, sprichst du, was für Rath ist hier denn anzulegen?
Auf GOtt und auf das Glück steht aller Menschen Seegen.
GOTT will gebeten seyn. Das Glück will seyn gesucht
Mit Urtheil und Verstand, nicht auf die schnelle Flucht,
Wie Alba ward berühmt, in einem Spiel und Rennen.
Wer allzu gelings frißt, der pflegt das Maul zu brennen.
Doch muß man in der Wahl nicht gar zu sorglich seyn.
Ein unvermuthlich Glück trift auch nicht selten ein.
Man muß nicht gar zu scharf auf alle Laster sprechen.
Kein Korn ist sonder Speltz. Kein Mensch lebt ohn Gebrechen.
Es kan ein Fehler seyn vielleicht an Weib und Mann,
Der beyden Theilen auch zu Nutze dienen kan.
Hat dir das Glück dann gar den Rücken zugekehret,
Und von der ärgsten Art den besten Kern verehret;
Schweig lieber, bist du klug, und gläube fest dabey,
Daß deine Ganß ein Schwan, die Sau ein Bienlein sey.

Empfohlene Zitierweise:
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/29&oldid=- (Version vom 1.8.2018)