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Seite:Teutsche satyrische Gedichte Wolfenbuettel.djvu/55

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Sechste Satyre.
Gut und Böse.


Ich bin kein Kind nicht mehr! darf wol ein Milchmaul sagen,
Was Gut und Böse sey, bedarf ich nicht zu fragen:
Ich kenne weiß und schwartz! Glück zu der Weißheit Sohn,
Du Thales unsrer Zeit, du mehr als Salomon.
Woher hast du, o Held, den Ursprung doch genommen?
Du bist der Mutter, traun, nicht aus der Nasen kommen,
Wie ein gemeiner Rotz. Wo mich der Sinn nicht treugt;
So bist du aus dem Haupt des Jupiters gezeugt,
Noch ehr als Pallas selbst. Wo hat man deines gleichen?
So weit die Sonne mag mit ihren Strahlen reichen,
Ist niemand so wie du, der alles Zweiffels frey
So richtig wissen mag, was gut und böse sey.
Kein Mensch auf dieser Welt wird seinem Leib und Leben
Erwünschen, was nicht dient, noch irgend darnach streben,
Das nur verderblich ist, wo nicht ein falscher Wahn
Den Gift für Zucker nimmt, und sieht ein Unglück an,
Als war es lauter Glück. Wo ist ein Mensch auf Erden,
Der endlich satt genug an Reichthum könne werden?
Da doch der güldne Koth, das Sorgen-schwere Geld,
So manche Seel ersäuft, so manchen Mann gefällt.
Was hat doch den Longin so plötzlich hingerichtet?
Nicht Caßius sein Bild, wie damals ist erdichtet.
Was denn? Das liebe Geld war grösser als gemein,
Und seiner Baarschaft mehr, als des Tyrannen sein.

Empfohlene Zitierweise:
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/55&oldid=- (Version vom 1.8.2018)