knarrte und quietschte. Mein Vater indessen ließ sich dadurch nicht stören und führte von hier aus seine gesammte Korrespondenz. Links neben ihm lagen die zu beantwortenden Briefe, denen eine Papierscheere von ungewöhnlichem Gewicht, als eine Art Briefbeschwerer diente. Nicht jeden Tag war Schreibetag, war dieser aber da, so wurde Nummer für Nummer vorgenommen, langsam und mit einer gewissen Künstlerfreude, denn er schrieb eine sehr hübsche Handschrift. Waren es Geldbriefe, so steigerte sich diese Freude noch sehr erheblich. Er hatte dann nicht blos die Vorstellung von der Wichtigkeit des Akts, sondern des Weiteren auch eine gewisse moralische Genugthuung, diesen Brief überhaupt noch abschicken und sich als ein Mann von Mitteln und „honneteté“ legitimiren zu können. Am deutlichsten trat diese Genugthuung hervor, wenn er, nach Erledigung der eigentlichen Schreiberei, bis zur Couvertirung und Siegelung des Briefes gekommen war. Er hatte mehrere Petschafte für den Alltagsverkehr, jeder Geldbrief aber wurde mit einem besonders gut geschnittenen Petschaft gesiegelt, das er noch aus der Ruppiner Löwenapotheke mit in seine Swinemünder Adlerapotheke, so daß es eigentlich nicht mehr paßte, herüber genommen hatte. Das Reiben des Siegellacks, um die schwarzen Stellen
Theodor Fontane: Meine Kinderjahre. Berlin: F. Fontane & Co., 1894, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Fontane_%E2%80%93_Meine_Kinderjahre.djvu/082&oldid=- (Version vom 1.8.2018)