Hier am Strome nämlich, lief, auf fast eine Viertelmeile Wegs, das „Bollwerk“ hin, eine Uferstraße, wie sie nicht poetischer gedacht werden konnte. Gerade daß hier Alles nur ein Mittelmaß hielt und nirgends an das Große der wirklich großen Handelsemporien erinnerte, gerade dies Mittelmaß der Dinge lieh allem etwas überaus Anheimelndes, gegen das sich nur ein Griesgram, oder eine für die Zauber von Form und Farbe ganz unempfindliche Natur verschließen konnte. Freilich war auch diese Bollwerk-Straße nicht an jeder Stelle dieselbe, ließ sogar, namentlich flußaufwärts, manches zu wünschen übrig, von dem Punkt an jedoch, wo eine an unserer Hausecke beginnende Querstraße rechtwinkelig einmündete, konnte man sich, dem Laufe des Flusses folgend, Schritt für Schritt an den sich darbietenden Bildern erquicken. Hier liefen nämlich, vom abgeschrägten Ufer aus, mal kleinere, mal größere Bretterflöße bis in den Strom hinein, schwimmende Bänke, darauf man, von früh Morgens an, die Mädchen wäschespülend bei der Arbeit sah, immer in heiterer Unterhaltung unter einander oder mit den Schiffsleuten, die behaglich über die Bollwerkbrüstung gelehnt, ihnen zusahen. Diese mit ihrer Staffage höchst malerisch wirkenden Flöße hießen „Klappen“ und dienten, besonders
Theodor Fontane: Meine Kinderjahre. Berlin: F. Fontane & Co., 1894, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Fontane_%E2%80%93_Meine_Kinderjahre.djvu/088&oldid=- (Version vom 1.8.2018)