ihren Gerechtigkeitssinn und ihren Freimuth hoch anrechnete, trotzdem er unter beiden Eigenschaften gelegentlich ernstlich zu leiden hatte. Sie war nämlich in einer beständigen Kriegführung gegen ihn, einmal aus Liebe zu meiner Mutter (deren beredten Anwalt sie machte, trotzdem diese, nach dem Satze: „die beste Deckung ist der Hieb“ sich sehr gut selber zu vertheidigen wußte) dann aber auch als Verwalterin der ihr mit vollster Machtvollkommenheit anvertrauten Speisekammer, gegen die mein Vater beständig Raubzüge unternahm, nicht blos für seine Person – das wäre noch gegangen, wiewohl er im Stande war einen halben Kalbsbraten ohne Weiteres wegzufrühstücken – sondern Raubzüge auch zu Gunsten seiner Lieblinge: Hühner, Hunde, Katzen, von welch letzteren wir zwei hatten, Peter und Petrine. Peter, auch Peter der Große genannt, ein Kerl wie ein junger Jaguar, war sein besonderer Liebling und wenn ihm das schöne Thier schnurrend in die Speisekammer gefolgt war (und er folgte immer) so nahmen die Leckerbissen für ihn kein Ende. Das Beste war gerade gut genug. Ueber diese gottlose Wirthschaft raste dann die treue Seele, die Schröder, die manchmal die ganze Mittagsbroddisposition in Frage gestellt sah. – Ja, sie war ein Schatz im Hause, noch mehr aber ein Segen
Theodor Fontane: Meine Kinderjahre. Berlin: F. Fontane & Co., 1894, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Fontane_%E2%80%93_Meine_Kinderjahre.djvu/143&oldid=- (Version vom 1.8.2018)