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anhob und dann General Berthézène mit seiner Division den Kirchhof in Nähe der Stadt angriff und nahm und der Dey mit seinem Harem um freien Abzug bat, da kannte mein Entzücken keine Grenze, das auch nicht voll mehr erreicht wurde, als ich hörte, daß Karl X. gestürzt und Louis Philipp König geworden sei. Von großem Eindruck auf mich war erst wieder die Nachricht, daß in Brüssel bei Aufführung der „Stummen von Portici“ die Revolution ausgebrochen sei und zwar gerade bei der Stelle „dem Meer-Tyrannen gilt die wilde Jagd“; ich fand dies unbeschreiblich schön, vielleicht in der dunklen, für eine Poetennatur immerhin schmeichelhaften Vorstellung, daß hier ein Lied eine politische That geweckt oder gezeitigt habe.

Das war der Sommer 30. Aber was war der Sommer gegen den Winter! Ende November brach, in Nachwirkung der Ereignisse in Frankreich und Belgien, die Insurrektion in Polen aus. Großfürst Konstantin wurde flüchtig und nachdem man auf beiden Seiten gerüstet, kam es zu Beginn des folgenden Jahres zu den blutigen Schlachten bei Grochow und Ostrolenka. Die Namen von damals prägten sich mir so tief in die Seele, daß ich, als ich, ein Menschenalter später, in den zufällig mir

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Theodor Fontane: Meine Kinderjahre. Berlin: F. Fontane & Co., 1894, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Fontane_%E2%80%93_Meine_Kinderjahre.djvu/201&oldid=- (Version vom 1.8.2018)