Friedrich Wilhelm IV., wo man solche Dinge mit frisch auflebender dogmatischer Strenge behandelte), – Pastor Schultz, sag ich, lehnte sich, als er von dem Plane hörte, mit aller Kraft und Beredsamkeit dagegen auf. Meine Mutter hielt sehr viel auf ihn und kannte zudem das Ansehen, dessen er sich „bis hoch hinauf“ erfreute, „bis hoch hinauf“, was für sie Bedeutung hatte; nichtsdestoweniger machten seine strengen Auseinandersetzungen nicht den geringsten Eindruck auf sie, so wenig, daß sie, als er schwieg, mit superiorer Seelenruhe sagte: „Lieber Schultz, Sie verstehen diese Frage gründlich; aber ob ich ein Recht darauf habe, mich scheiden zu lassen oder nicht, diese Frage kann in der ganzen Welt kein Mensch so gut beantworten wie ich selber.“ Und damit brach sie ab. Aehnlich ungläubig stand sie jeder Autorität gegenüber. Sie war voll Mißtrauen in die Leistungsfähigkeit aller drei Fakultäten und bezweifelte – patriarchalische Zustände waren ihr Ideal – daß die Menschen beispielsweise was Reelles von der Juristerei hätten. Alles gehe, so meinte sie, nach Gunst oder Vortheil oder im besten Fall nach Schablone. Reich sein, Besitz, (am liebsten Landbesitz) alles womöglich unterstützt von den Allüren eines Gesandtschafts-Attachés, – das war Etwas, das schloß Welt und Herzen auf, das
Theodor Fontane: Meine Kinderjahre. Berlin: F. Fontane & Co., 1894, Seite 217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Fontane_%E2%80%93_Meine_Kinderjahre.djvu/225&oldid=- (Version vom 1.8.2018)