Dein Vater freuen. Nur das mit dem Kater müssen wir fortlassen.“ Und den Anfang durchstreichend, schrieb er statt dessen „Lieber Vater, Du Stadtberather.“ Denn mein Vater war kurz vorher Senator oder Mitglied des Magistrats geworden, dessen Sitzungen er, bei großer Abneigung gegen dergleichen, natürlich nie beiwohnte. Auch diesen Zug hab ich von ihm geerbt. Lau blieb zwei Jahre lang. Als sein Abgang nahe war, kam ich auf den unglücklichen Gedanken, ihm zu Ehren ein Stück aufzuführen, noch dazu ein Lustspiel. Es war ungebührlich lang und kein Mensch hörte recht zu, was mich sehr traurig machte. Das Schlimmere aber lag nach der Herzensseite hin. Ich liebte Dr. Lau ganz aufrichtig, mehr als irgend einen anderen Lehrer, den ich später gehabt habe; trotzdem brachte mich die verdammte Komödianteneitelkeit um jedes richtige Gefühl für den Mann, dem ich doch so viel verdankte. Ja, noch ganz zuletzt, als er, bewegt, von uns Kindern Abschied nahm, dachte ich nicht an den lieben braven Mann, sondern immer noch an das dumme Stück, mit dem wir so gar keinen Erfolg erzielt hatten. Eigentlich bleibt es zeitlebens so; immer wenn mit allem Fug und Recht die großen Gefühlregister gezogen werden sollen, denkt man, als Kind, an Kuchen und Traubenrosinen,
Theodor Fontane: Meine Kinderjahre. Berlin: F. Fontane & Co., 1894, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Fontane_%E2%80%93_Meine_Kinderjahre.djvu/236&oldid=- (Version vom 1.8.2018)