alle Wege, die er kurz vorher mit Elisabeth zusammen gegangen war. Als er wieder nach Hause kam, war es dunkel; auf dem Hofe begegnete ihm der Kutscher, der die Wagenpferde ins Gras bringen wollte; die Reisenden waren eben zurückgekehrt. Bei seinem Eintritt in den Hausflur hörte er Erich im Gartensaal auf- und abschreiten. Er ging nicht zu ihm hinein; er stand einen Augenblick still, und stieg dann leise die Treppe hinauf nach seinem Zimmer. Hier setzte er sich in den Lehnstuhl ans Fenster; er that vor sich selbst, als wolle er die Nachtigall hören, die unten in den Taxuswänden schlug; aber er hörte nur den Schlag seines eigenen Herzens. Unter ihm im Hause ging Alles zur Ruh, die Nacht verrann, er fühlte es nicht. — So saß er stundenlang. Endlich stand er auf und legte sich ins offene Fenster. Der Nachtthau rieselte zwischen den Blättern, die Nachtigall hatte aufgehört zu schlagen. Allmählig wurde auch das tiefe Blau des Nachthimmels von Osten her durch einen blaßgelben Schimmer verdrängt; ein frischer Wind erhob sich und streifte Reinhardts heiße Stirn; die erste Lerche stieg jauchzend in die Luft. — Reinhardt kehrte sich plötzlich um und trat an den Tisch; er tappte nach einem Bleistift, und als er diesen gefunden, setzte er sich und schrieb damit einige Zeilen auf einen weißen Bogen Papier.
Theodor Storm: Sommergeschichten und Lieder. Duncker, Berlin 1851, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Storm_Sommergeschichten_und_Lieder.djvu/101&oldid=- (Version vom 1.8.2018)