Das Christkind? sagte Reinhardt, das kommt nicht mehr zu mir.
Ei was! Dein ganzes Zimmer roch nach Tannenbaum und braunen Kuchen.
Reinhardt setzte das Glas aus der Hand, und griff nach seiner Mütze.
Was willst du? fragte das Mädchen.
Ich komme schon wieder.
Sie runzelte die Stirn. Bleib! rief sie leise, und sah ihn vertraulich an.
Reinhardt zögerte. Ich kann nicht, sagte er.
Sie stieß ihn lachend mit der Fußspitze. Geh! sagte sie. Du taugst nichts; ihr taugt alle mit einander nichts. Und während sie sich abwandte, stieg Reinhardt langsam die Kellertreppe hinauf.
Draußen auf der Straße war es tiefe Dämmerung; er fühlte die frische Winterluft an seiner heißen Stirn. Hie und da fiel der helle Schein eines brennenden Tannenbaums aus den Fenstern, dann und wann hörte man von drinnen das Geräusch von kleinen Pfeifen und Blechtrompeten und dazwischen jubelnde Kinderstimmen. Schaaren von Bettelkindern gingen von Haus zu Haus, oder stiegen auf die Treppengeländer und suchten durch die Fenster einen Blick in die versagte Herrlichkeit zu gewinnen. Mitunter wurde auch eine
Theodor Storm: Sommergeschichten und Lieder. Duncker, Berlin 1851, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Storm_Sommergeschichten_und_Lieder.djvu/70&oldid=- (Version vom 1.8.2018)