gekommen, daß er die silbernen Blätter deutlich im Mondlicht unterscheiden konnte; zugleich aber fühlte er sich in einem Gewirr von Wasserpflanzen wie in einem Netze verstrickt, die glatten Stengel langten vom Grunde herauf und rankten sich an seine nackten Glieder. Das unbekannte Wasser lag so schwarz um ihn her, hinter sich hörte er das Springen eines Fisches; es wurde ihm plötzlich so unheimlich in dem fremden Elemente, daß er mit Gewalt das Gestrick der Pflanzen zerriß, und in athemloser Hast dem Lande zuschwamm. Als er von hier auf den See zurückblickte, lag die Lilie wie zuvor fern und einsam über der dunklen Tiefe. — Er kleidete sich an, und ging langsam nach Hause zurück. Als er aus dem Garten in den Saal trat, fand er Erich und die Mutter in den Vorbereitungen einer kleinen Geschäftsreise, welche am andern Tage vor sich gehen sollte.
Wo sind denn Sie so spät in der Nacht gewesen? rief ihm die Mutter entgegen.
Ich? erwiederte er, ich wollte die Wasserlilie besuchen; es ist aber nichts daraus geworden.
Das versteht wieder einmal kein Mensch! sagte Erich. Was Tausend hattest du denn mit der Wasserlilie zu thun?
Ich habe sie früher einmal gekannt, sagte Reinhardt; es ist aber schon lange her.
Theodor Storm: Sommergeschichten und Lieder. Duncker, Berlin 1851, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Storm_Sommergeschichten_und_Lieder.djvu/96&oldid=- (Version vom 1.8.2018)