Friedrich malt die Natur mit großer Wahrheit – aber er giebt sie uns stets in solchen Zuständen, wo sie am meisten das Gemüth ergreift, und nur alleinige leise Andeutung eines höher waltenden geistigen Lebens ist, dem eine analoge Stimme im Inneren begegnet. – Er befreundet sie uns, gleich einer Vertrauten unseres Kummers und unserer Sehnsucht – und ihr ernstes, feierliches Gewand spricht tiefer zu unserem Herzen, als der lieblichste brautliche Schmuck. – So sahe ich unter anderen Gemälden eines, welches zwar von Manchen der Uebrigen an Kunstwerth übertroffen wurde, aber dennoch durch alleinige tiefe Bedeutung und eine vollständige Harmonie in allen seinen Theilen das Gemüth fesselte und ergriff. Der Form nach, welche sich nach oben, gleich einem Kirchenfenster zuwölbte, schien es für eine Hauscapelle bestimmt zu seyn – das heißt, für eine solche, in welcher man die Weihestunden feiert, sie mögen nun in einer stillen Erhebung des Gemüths oder in einer gemütlichen Unterhaltung anderer Art bestehen, ich würde es am liebsten in dem Zimmer eines ruhigen Landhauses sehen, in welchem sich die Bewohner freundlich und stille des Abends zusammen fänden. – Den Vordergrund des Gemäldes bildet ein Söller, welcher den Raum der ganzen Breite desselben einnimmt, von wo herab man die Einsicht in zwei Straßen erhält, welche durch eine Kirche alter Bauart mit mehreren hohen zugespitzten Thürmen getrennt werden; an die Kirche gränzt ein Kirchhof mit mehreren Leichensteinen und Statuen. – Dieser Kirchhof schließt sich perspektivisch, am Vordergrunde des Söllers, an. – So weit wäre nun das Gemälde allein durch die Wahrheit der Darstellung, und in perspektivischer und architektonischer Hinsicht, bemerkenswerth – aber der Genius dieses Künstlers, welcher selbst der leblosen Natur Seele
Unbekannt: Ueber den Landschaftsmaler Friedrich in Dresden. Landes-Industrie-Comptoir, Weimar 1816, Seite 737. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_den_Landschaftsmaler_Friedrich_in_Dresden_(1816).djvu/3&oldid=- (Version vom 7.9.2024)