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churwälsch in kauderwelsch? Im Luzerner geschichtsfreund Band 17 S. 230 wird z. J. 1371 genannt ein juchart zer muterbrotzrüti. Offenbar ein ganz ähnlicher Name. Ebendort finde ich aus dem 12. Jhdt. ein moutirswanch. Bd. 17, 249; denn den Personennamen Mutterstach, denen aber Muotheri zu Grund liegen kann.

Tristolz, gesprochen Trischlets, im J. 1446 Thristoll, läßt auf einen Personennamen Tristolf, Trostolf, Trustolf oder Trusolf rathen, der aber nicht belegt werden kann. Übrigens erinnert es an eine Stelle der Öffnung von Wäggithal v. J. 1496: wer usserhalb irem tal gesessen sy, daz der kein recht soll haben vff iren allmeind, er habe den sin eigen Tristall. Geschichtsfr. 11, 215. – Auch Truiolz, gesprochen Truilets, J. 1575, kann ich nicht mit einem beglaubigten Personennamen belegen. Vielleicht daß es von Druhtolf herkommt, wie Ziegolz etwa vom Mannsnamen Zuwolt. W verdichtet sich ja gern in G. So hieß Daugendorf bei Riedlingen im 9 Jhdt. Touuendorf, so sagt man auch Gutach für Wutach u. s. w.

Menhölz heißt im J. 1275 Mimihilz. Das wäre der Genitiv zu dem bei Förstemann aufgeführten Frauennamen Mimihilt. Daß Ortsnamen auch von Frauennamen bestimmt werden können, erhellt aus dem Beispiel von Judentenberg, das zu Judintha gehört, von Hübschenberg, im J. 1143 Huobechunberc, zu Huobecha, von Stallinunriet bei Weingarten, das zu Stallina gehört und sich zu Stallo verhält, wie Sigina zu Sigo. Jesumskirch, das zwar noch in der Oberamtsbeschreibung von Saulgau steht, jetzt aber verschollen ist, hieß einst Jiuzzunkilche. Das erinnert an die Stelle: Juczun Clarmans tohter. Mon Zoll. I, 339 und an: Jiuzze vrô Jiuzzen tohter, Mone Ztschr. 19, 249. –

Die genitivischen Ellipsen sind im Algäu sehr alten Herkommens; z. B. Paldrammes, jetzt Balderazhofen, Perchkeres jetzt Bergs bei Leutkirch, beide schon im J. 894 genannt. Neugart Nr. 611. – J. 890. Hermentines irgendwo bei Manstein am Rhein. Wartmann St. Gll. Urk. 2, 282. Derselbe Name steckt in Heremintinchoua, Herimuntinchova. ib. 2, 82. – Das Chronicon Isnense bei Heß a. a. O. nennt die Orte: Engilheres, Engelisheris, Isinboltis, Diezelinis. das Chronicon Petershus. bei Ussermann prod. 1, 328 nennt: Ritilines, Riedlings. Der liber decimac. pro papa von 1275 (im Freiburg. Diöcesanarchiv I): Wainbrechtis, Wombrechts; Machalmes, Achams; Hellegers, Hellengerst; Rames, Rauns; Diepolz, Eggehartz, Isenhartz, Luipoltz; Rehtens, Rechtis; Tietmans, Dietmanns; Wolfrans, Wolfatz; Huwartz, Hauerz. Letzteres könnte aus Hugiwarts entstanden sein. Das benachbarte Treherz heißt noch im J. 1520 zum Dreher, es müßte also Drehers geschrieben werden.

Damit haben Sie die Erklärung der Namen: Diepolz, Hörbolz, Leupolz, Raupolz, Freundpolz etc., der Ortsnamen: Adelharz, Eberharz, Engelharz, Eisenharz, Geiselharz, Rosenharz u. s. w., wo natürlich weder an Pech und Harz, noch an Hard, den Wald, zu denken ist. Es sind eben nur die barbarischen Schreibungen für Adelharts, Eberharts, Dietbolts, Heribolts, Liutbolts etc.

Häufig läßt sich für diese Namen die ursprüngliche Form nicht mehr ermitteln. Wie noch jetzt, hat das Volk schon vor Jahrhunderten die unverstandenen Namen fort und fort umgedeutet, um ihnen einen Sinn abzugewinnen. Wir können z. B. wohl vermuthen, welche alten Personennamen den Orten: Guntarz, Rudwarts und Ressarts zu Grunde gelegen haben, aber andere wie Wolkarz sind schon schwerer zu entziffern. Nun wissen wir zu diesem zufällig aus einer Urkunde des württ. Urkb. III, 78, daß Wolketsweiler ehedem Wolfgereswiler hieß; daraus schließen wir auf einen Lokativ: Wolfgeres, Wolgeres, Wolkers, Wolkarz. Die verdumpfte Endung –az, sie in Gestraz, Hergatz, Herfatz, Lengatz, Laidratz, Mellatz, Nieraz, Sandraz, Wolfaz, Wigratz, Willatz, Wolfatz u. s. w. hat oft verschiedenen Ursprung. Von Wolfatz wissen wir, daß es noch im J. 1617 Wolfholz, von Willatz, daß es im J. 1406 Wilhalms hieß. Dem Personennamen Laidrat begegnen wir schon im J. 779 zu Bermatingen, St. Gall. Urkb. 1, 83, dem Niurat im St. Galler Zinsleuteverzeichniß bei Goldast, dem Namen Castrat (Gestrat) bei Neugart C. D. Alem. Man darf also bei allen diesen Namen weder an Atz noch an Fratz denken, so wenig als bei Herfatz an eine Heerfahrt. Herfatz deutet vielmehr auf den Namen Heribolt hin.

Empfohlene Zitierweise:
Michel Buck: Ueber oberschwäbische Orts- und Familiennamen. Wagner’sche Buchdruckerei in Ulm, Ulm 1872, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_oberschw%C3%A4bische_Orts-_und_Familiennamen.pdf/5&oldid=- (Version vom 28.2.2024)