, in der Lobatschefskijschen Geometrie eine absolute Länge usw. Es überraschte mich nicht, daß sich auch in der Entwicklungsgeschichte dieser zwei Gebiete Analogien zeigten. In beiden Fällen kämpft man um die Werte gewisser Parameter, denen man nach den älteren Theorien einen unendlichen, nach den neueren dagegen einen endlichen Wert beizulegen hat. In der Entwicklungsgeschichte der nichteuklidischen Geometrie ist mancher scheinbare Widerspruch aufgestellt worden, ebenso wie man auch in der Relativitätstheorie Widersprüche zu finden vermeinte.
Dies alles führte mich dazu, die Einsteinschen Formeln zu transformieren und nichteuklidisch zu deuten. Es erschien unterdessen die Sommerfeldsche Arbeit, in der gezeigt wurde, daß für die Zusammensetzung der Geschwindigkeiten in der Relativtheorie die Formeln der sphärischen Trigonometrie mit imaginären Seiten gelten[1]. Nun ist die hyperbolische Geometrie das imaginäre Gegenbild der sphärischen, wie es schon Lobatschefskij und Bolyai gewußt haben. Da war ich sicher, daß sich der hyperbolischen Geometrie in der Relativitätstheorie ein interessantes Anwendungsgebiet eröffnet hat. Meiner ersten diesbezüglichen Mitteilung in der Physikalischen Zeitschrift folgten bald noch zwei weitere.[2] Ich gab in denselben die nichteuklidische Interpretation fertiger Formeln der Relativitätstheorie. Nachher schlug ich den umgekehrten Weg ein.[3] Ich setzte meinen Überlegungen die Annahme zugrunde, daß die Erscheinungen in einem Lobatschefskijschen Raume vor sich gehen, und erhielt durch sehr einfache geometrische Schlüsse die Formeln der Relativitätstheorie. Das Resultat meiner Untersuchung läßt sich dahin aussprechen, daß, unter Zugrundelegung der nichteuklidischen Terminologie, die Formeln der Relativitätstheorie nicht nur wesentlich vereinfacht werden, sondern daß sie auch eine geometrische Deutung zulassen, die ganz analog ist der Interpretation der klassischen Theorie in der euklidischen Geometrie. Und diese Analogie geht manchmal so weit, daß man auch den Wortlaut der Theoreme der klassischen Theorie unverändert lassen kann, nur muß man die euklidischen Gebilde durch die entsprechenden Gebilde des Lobatschefskijschen Raumes mit dem Parameter cm ersetzen.
I. Definition und graphische Darstellung der Geschwindigkeiten. Die Lichtgeschwindigkeit spielt in der Physik die Rolle der unendlich
Vladimir Varićak: Über die nichteuklidische Interpretation der Relativtheorie. Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung, 1912, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:VaricakRel1912.djvu/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)