Seite:Volksbuch für Schleswig Holstein und Lauenburg 1844 082.jpg

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sind sie, und doch auch, gerade durch ihren provinziellen Character, wieder ganz deutsch. Vornämlich die unheimliche Westsee[WS 1] ist es, die tiefe Spuren in der Sage hinterlassen hat. Wie sich der Nebel fast nothwendig auf den weiten flachen Strand senkt, so füllt sich auch die Phantasie diese Strecken unwillkührlich mit Geistern und Gespenstern an, deren Gewalt die unendlichen Räume beherrscht, wo Meer und Land in einander übergeht. Solche Gestalten sind der Geist des Bröddehoogs in der Sylter Sage, der auf dem Grabe seiner Kinder und seiner Schätze sitzt und auf seinen Goldeiern brütet, der Dränger in einer Eiderstedter, der über den Deich gebannt ist, und nur mit übermenschlicher Gewalt wieder hineindrängt, aber nur alle sieben Jahre einen Hahnentritt weiter kommt; der Waterpedder (Wassertreter), ein feuriges Gespenst, das unten am Deiche Allen den Weg vertritt von Mitternacht bis Morgenschein, und Roß und Reiter zum Tode ermüdet. – Das historische Element scheint in unsern Sagen nicht überwiegend zu seyn, doch ist die Königin Margarethe – die schwarze Greth genannt – und König Abel der Brudermörder mit seiner wilden Jagd noch in gutem Andenken. Kein geringer Theil unsrer Sammlung wird den alten adlichen Geschlechtern angehören; gern knüpfen die Erzählungen sich an ihre Schlösser an, ja diese selbst in ihrer wunderlichen Bauart scheinen kaum durch gewöhnliche Kunst entstanden zu seyn. So soll in dem Nütschauer Herrenhause im Schornstein ein großes Schloß an schweren Ketten hängen, das man ja nicht herunternehmen darf, sonst würde das Haus einstürzen; schon wenn es gerührt wird, entsteht ein entsetzliches Rappeln und Poltern in den Schlössern aller Zimmer. Vor Allem aber sind es die freien Bauern, Schleswig-Holsteins Stolz und Stärke, welche unsre Mährchen gemacht

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Ostsee, korrigert nach Druckfehlerangabe.
Empfohlene Zitierweise:
Theodor Storm, Theodor Mommsen: Schleswig-Holsteinische Sagen. Schwers’sche Buchhandlung, Kiel 1844, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Volksbuch_f%C3%BCr_Schleswig_Holstein_und_Lauenburg_1844_082.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)