Seite:Voll Adolf Oberländer.djvu/5

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

„Fliegenden Blättern“ ist er das geworden, was er werden mußte, der größte Meister der Illustration, den die Deutschen neben Wilhelm Busch besitzen. Er ist außerdem derjenige geworden, der die Ideale der Pilotyschule am reinsten und am großartigsten verkörperte, aber nur indem er sich von Pilotys Zwang lossagte. Das ist die kunsthistorische Stellung Adolf Oberländers.

So wie Leibl äußerlich in direktem Widerspruch zu Piloty stand, aber als Maler denjenigen Realismus auf gesunde zukunftssichere Weise pflegte, den Piloty und die Seinigen in mehr theatermäßiger Art auffaßten, so hat Oberländer das von seinem Lehrer angestrebte Pathos und die heroische Größe der wirklich künstlerischen Vollendung entgegengeführt. Man darf seine Tätigkeit als die Rechtfertigung von Pilotys Streben auffassen, allerdings mit dem ausdrücklichen Beisatz, daß Oberländer – ebenso wie Wilhelm Leibl – dem Ziel des Meisters auf anderem, von ihm selbst gefundenem Wege entgegenging.

„So, Pikkolo, das ist brav von dir, daß du mir hilfst, meinen Mantel anzuziehen … Also: eins, zwei und

Adolf Oberländer: Unerwartete Wirkung.

Der Charakter der „Fliegenden Blätter“ und die eigene Anlage führten Oberländer von der aufregenden tragischen Kunst der offiziellen Kreise zur humoristischen Illustration. Er hat hier im Stile der Historienmaler, den er freilich geläutert und von allen Schlacken befreit hat, die Kunst von Münchens großem Humoristen, Spitzweg, fortgesetzt. Dem Stil der Biedermeierzeit folgte auch hier in notwendigem Gegensatz der heroische. Ursprünglich wollte Oberländer ja dieses Fach nicht ausschließlich pflegen, aber ihm und uns zum Glück hat er bei den „Fliegenden Blättern“ so reiche Arbeit gefunden, daß er ihr nicht mehr entrinnen konnte. Wer ihn nun aber lediglich als Illustrator von Witzen auffassen, wer in seinen Beiträgen in den „Fliegenden Blättern“ nur den Witz sehen wollte, würde sich gründlich irren und jedenfalls nicht die Meinung treffen, die der Künstler selbst bei und von seinen Arbeiten hat. Der Witz und die Unterschrift ist bei ihm ebensogut Nebensache wie bei Daumier, und beide Künstler verwahren sich mit Recht dagegen, daß man dem begleitenden Text mehr Wert als den einer Erklärung beilege, die nur für diejenigen nötig ist, die nicht sehen können. Die Unterschriften rühren auch in der Regel nicht vom Zeichner her. Das Wort ist ja so wenig die Hauptsache bei Oberländer, daß die Art der zeichnerischen Darstellung zu der des Witzes in prinzipiellem Gegensatz steht. Während der Schriftsteller sein Wort scharf auf die Pointe zugespitzt

Empfohlene Zitierweise:
Karl Voll: Adolf Oberländer. Westermann, Braunschweig 1905, Seite 810. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Voll_Adolf_Oberl%C3%A4nder.djvu/5&oldid=- (Version vom 1.8.2018)