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Der Winter war kalt und lang, das einzige Vergnügen der Offiziere in Breznitz bestand im Schlittenfahren und Schlittschuhlaufen. Bei letzterem zeichnete sich der Oberst ganz besonders durch seine tüchtige, wenn auch ein wenig altmodische Kunstfertigkeit aus, während sich Swoyschin als ein Virtuose ersten Ranges erwies.

Beim Schlittschuhlaufen wurde er ausgelassen lebendig. Solange er, auf seinen schmalen Eisen dahinfahrend, allerhand spitzfindig ausgeklügelte geometrische Figuren beschrieb oder auch mit planloser Geschicklichkeit im Genuß rasch hinschwebender Bewegung schwelgte, vergaß er alle seine Sorgen, vergaß, daß es überhaupt Weiber auf der Welt gibt.

Der beliebteste Versammlungsort der Schlittschuhläufer war ein Weiher, der sich in einem von dem Garnisonsstädtchen eine halbe Stunde weit entfernten verwilderten Parke befand, der sich um ein verlassenes Schlößchen zog, das den Namen Monbijou trug und im Sommer zu einer Restauration verwendet wurde, während es im Winter gänzlich leer stand.

Es war ein poetisches Plätzchen, und die Soldaten mußten eifrig herhalten mit dem Herrichten der Eisbahn, mit Kehren und Schaufeln.

Die Offiziere liefen Schlittschuh bei Sonnenaufgang, sie liefen Schlittschuh bei Sonnenuntergang – sie liefen Schlittschuh bei Mondschein.

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Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 1, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/075&oldid=- (Version vom 1.8.2018)