eine Schönheit nennt, konnte der Oberst sich gar nicht sattsehen an ihr. „Donnerwetter!“ murmelte er ein Mal ums andre, „Donnerwetter!“
Der sehr auffällige Beifall, mit welchem der ältere Freund das Bildchen betrachtete, rührte den jungen Mann, schmeichelte auch ein wenig seiner Eitelkeit, die in solchen Fällen selbst bei dem edelsten Liebhaber nicht ganz aus dem Spiel bleibt.
„Nicht wahr, sie ist ein lieber Kerl!“
„Allerliebst, ganz allerliebst!“ bestätigte der Oberst.
„Und wissen Sie,“ erzählte Swoyschin, „das Bildchen hat sie mir heimlich zugesteckt zum Abschied; sie ist extra nach Wien gefahren mit der Kammerjungfer, zum Zahnarzt, um bei dieser Gelegenheit das Etui zu kaufen. Wie mich das gefreut hat, können Sie sich denken, und die lieben, vergnügten, mutwilligen, zärtlichen Augen, mit denen sie mir nachgeblickt hat, als ich wegfuhr auf die Bahn!“
„Na, ich kann nur sagen, ich gratuliere,“ erklärte der Oberst, „gratuliere von Herzen! Wenn ihr Inneres hält, was ihr Gesichtchen verspricht, so ist Annie gerade die Frau, die Sie brauchen. Nerv, Energie, ein fester Charakter, ein weiches Herz, ein heiteres Temperament, ein heller, zum Praktischen geneigter Verstand, und dabei ein feines Empfindungsvermögen, das es versteht, den alltäglichsten Dingen des Lebens eine poetische Seite abzugewinnen.“
Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 1, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/092&oldid=- (Version vom 1.8.2018)