Guitarre bei der Hand, und wie ich mich auch wehrte, ich mußte diesen musikalischen Herren den Willen thun!“
„Ich bin sehr froh, daß Sie sich dazu herbeigelassen haben, Gräfin,“ erwiderte Swoyschin, „ich habe, wenngleich zu spät, doch noch etwas von Ihrer Freundlichkeit profitiert!“
„Nur das letzte Lied haben Sie gehört?“ fragte Gina.
„Leider – nur das letzte!“ bestätigte er.
„’s ist ein alter, abgedroschener Gassenhauer,“ sagte sie wegwerfend, worauf er erwiderte: „Von Ihnen gesungen, war’s ein wunderschönes, neues Lied, Gräfin.“
„Soll ich weiter singen?“ fragte sie.
„Ja, ja, Gräfin, wir bitten, wir beschwören Sie!“ Die jungen Offiziere riefen’s einmütig.
Sie aber hatte nur noch Augen für Swoyschin. Sollte sie singen? Seine Lippen bewegten sich nicht, aber seine Augen sagten ja.
Sie that ein paar Griffe auf der Guitarre, dann klang weich und leise, leidenschaftlich anschwellend und wieder müde verhallend, von ihren Lippen ein Lied, das Swoyschin nie früher gehört hatte und auch nie mehr hören sollte, ein Lied, das in ihrem leidenschaftlichen Herzen erwacht war und in ihrem Herzen sterben mußte. Nicht, daß sie es ganz selbständig komponiert hätte, aber jedenfalls hatte sie’s zurecht gemacht.
Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 1, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/150&oldid=- (Version vom 1.8.2018)