Er ging gerade auf den Faulbaum zu, unter dem er sie heute schon einmal gesehen. Unheimlich bleich hob er sich ab gegen die dichter und dichter am Himmel aufsteigenden, schiefergrauen Gewitterwolken. Mit zerstückelten, verzerrten Umrissen breitete sich sein Spiegelbild über die dunkle Oberfläche des Teiches, der im Sturm Wellen trieb.
Ja, sie waren dort … beide … Swoyschin und sie.
Das, was der Oberst gefürchtet hatte, war gekommen, Swoyschin hatte gänzlich den Kopf verloren.
Er hielt ihre Hände in den seinen und sprach innig in sie hinein. Jetzt zog er sie an seine Brust. Ihr Kopf sank auf seine Schulter, ihre beiden Arme schlangen sich um seinen Hals.
Plötzlich, durch das Schauern und Seufzen des Laubes, hörte man zwölf dröhnende Schläge. Mitternacht! Und da ereignete sich etwas ganz Unglaubliches … Der Oberst traute seinen Augen kaum: Swoyschin, der zartfühlende, gutmütige Swoyschin, riß mit einer heftigen, geradezu rohen Bewegung die Arme von seinem Hals herunter und stieß das Mädchen von sich.
Sie ging ein paar Schritte rücklings, mit weit vorgestreckten, leidenschaftlich verlangenden Armen. Ihr Gesicht konnte der Oberst nicht wahrnehmen, da sie mit dem Rücken gegen ihn stand. Er sah nur
Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 2, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/170&oldid=- (Version vom 1.8.2018)