Seite:Vollmondzauber.djvu/193

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goldfarbigen Laub, alles triefte von Nässe und flimmerte von Licht. Die regenbespülten Felsen, in deren Rissen sich stachlige, blaugrüne Kakteen festgenistet hatten, glitzerten, wie mit Diamanten bestreut. Große Weihrauchwolken hingen in der Luft, und die Wachskerzen qualmten.

Tief unten brauste das Meer, und von oben antworteten ihm die Totenglocken.

*      *      *

Als Emma von der Trauerzeremonie heimkam, verlangte sie, sofort zu dem Schwesterchen geführt zu werden. Das Kind, fest von weißen Laken umwunden, schlief, die Fäustchen unter Kinn.

Und Emma dachte schaudernd an das Gerede der Leute, daran, daß die Verstorbene das kleine Geschöpfchen hatte ins Meer werfen lassen wollen. Da nahm sie das zarte, winzige Wesen in die Arme und küßte es und weinte. Von jenem Tag an liebte sie die Schwester.

Sie liebte das Schwesterchen alle Tage inniger.

Gina wuchs auf, schön, ungewöhnlich und unheimlich. Einmal war sie in einer Vollmondnacht aus dem Schloß gelaufen und Emma hatte sie gefunden, wie sie mit ihren Nägeln an der Thür der Gruft kratzte, hinter der ihre Mutter den letzten Schlaf schlief; ein andermal auf dem Friedhof in dem

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Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 2, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/193&oldid=- (Version vom 1.8.2018)