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Hölzer dorthin und bildeten damit ein Gerüst, auf das nun die schwersten Teile unseres Gepäcks gebracht wurden. Nachdem dies geschehen war, versuchten die Kellekdschis, das Fahrzeug wieder flott zu machen. Da sich die Sache in die Länge zog, so setzte ich meinen photographischen Apparat auf dem Haufen Gepäck zurecht und schickte mich an, die ganze Szene zu photographieren.

„Halloh, Halloh, eingestiegen, der Kellek geht ab!“ rief mir plötzlich Hyvernat zu. Mit dem Photographieren war es also nichts. Wir mußten ganz verzweifelte Anstrengungen machen, um den Kellek festzuhalten, damit er uns nicht entschlüpfte. Es wäre eine schöne Sache geworden, wenn der Kellek forttrieb, und wir allein mitten im Wasser gesessen hätten. Hyvernat, Huschannah und ich klammerten uns an den Kellek fest, während die andern das Gepäck wieder einluden. Das Wasser reichte uns kaum über die Knöchel, so daß ich mich fragen mußte, wie der Kellek, selbst ohne Last, hier schwimmen konnte.

So wurden wir also glücklich wieder flott, aber nicht ohne daß eine große Zahl Schläuche dabei geplatzt wäre. Der Kellekdschi hatte fünf Stunden notwendig, um sie wieder auszubessern. Es war dies ein netter Zwischenfall, der aber auch sehr leicht ein Unfall hätte werden können.

Wieder große Bewegung. Unsere Gans war durch alle die Manöver so erschreckt worden, daß es ihr gelang, aus dem Käfig zu kommen. Sie schwamm ganz ruhig stromaufwärts. Ein Schuß schien wohl hier das Richtige zu sein, und deshalb verlangsamten wir unsere Fahrt, um abzuwarten, bis die Strömung uns auf Schußweite von ihr brachte.

Um elf Uhr kamen wir an Tell-Hadsch-’Ali auf dem linken Ufer und ein wenig später an Arguba auf dem rechten Ufer vorbei. Der Himmel war bedeckt, und es regnete ein wenig.

Um dreiundeinhalb Uhr legten wir Kalaat-Scherkat gegenüber an.

Während des ganzen Tages floß der Tigris in einer Ebene zwischen steilen ziemlich hohen Ufern; infolgedes war die Aussicht sehr beschränkt.

7. Januar.

Wir begannen unsere Reise mit einer kleinen Überfahrt im Kellek, um unterhalb der Ruinen von Kalaat-Scherkat zu landen; aber das Landen hielt schwer und kostete uns wieder einige Schläuche. Plötzlich brach das Tau. Ohne die Geistesgegenwart Huschannahs, die sich mit einem Hilfsstrick ins Wasser warf, hätte unser Kellek ohne uns die Weiterreise angetreten. Indem wir den Hügel hinaufkletterten, jagten wir ein schönes Wildschwein auf, konnten es aber leider nicht in Schußweite bekommen.

Im ganzen ist von Kalaat-Scherkat nichts zu sehen als eine Pyramide aus Erde und Trümmer des Zigurrat, der ehemals die Spitze des Hügels krönte.

Dieser Hügel fällt in sehr zerrissenen Formen in das Wadi-Meheih;[1] die Landschaft dieses weiten Thales, in dem die ganze Vegetation aus Gestrüpp und Dornen besteht, ist außerordentlich melancholisch, aber großartig. Auf dem Hügel finden sich zahlreiche Löcher, die von den Ausgrabungen herrühren; aber aller ausgegrabener Marmor, den wir sahen, war nichts weiter als unförmliche Stücke.

  1. Das Wadi-Meheih (Thal Meheih) endigt bei den Ruinen von el Hadr (Hatra).
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 302. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/328&oldid=- (Version vom 1.8.2018)