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Entscheidung von Rechtshändeln als für die Notariatsgeschäfte freiwilliger Gerichtsbarkeit. Die Urkunden in eigener Sache, die der Official durch Anfügung seines Siegels beglaubigte, und in weit stärkerem Maße noch die von den Officialen selbst ausgestellten Urkunden zeigen, wie zahlreich und mannigfaltig die Rechtsgeschäfte waren, die vor sie zur Bezeugung gebracht wurden. Der hieraus erwachsende, durch Übergriffe wie durch Verbote stets neu genährte Widerstreit zwischen Stadtgericht und geistlichen Gerichten füllte die Jahrhunderte, bis ihm erst die Reformation ein Ende machte.

Ihren Sitz hatten beide Gerichte auf Burg. Der Archidiakonatsofficial scheint sein Konsistorium in der St. Maria Magdalenakapelle gehabt zu haben, die einst ein Archidiakon erbaut hatte; aber er amtete auch an andern Stellen. Wir finden sein Gericht und dasjenige des bischöflichen Officials auf dem Münsterplatz unter der großen Linde, im Hofe des Domsängers, auf den Stufen vor der Peterskirche, auf dem Leonhardsberg usw.

In allen diesen Einrichtungen, Formen, Rechten erschien das Domstift als eine geschlossene und mächtige Einheit, dem weiten Umfang der Diözese wie der nahen Stadt gegenüber.

Hier war der Punkt, wo das Leben des Bistums seinen Ursprung hatte und seine Richtung empfing. Alljährlich in der Fastenzeit versammelte sich hier die Geistlichkeit zur Synode, und neugierig mochten diese Landpfarrer um sich blicken, die, nachdem sie schon die starken Tore der Stadt dort unten durchschritten, hier oben nochmals durch einen Mauerring eintretend sich in einer merkwürdig umfriedeten Welt fanden, wo die stolzen Ritter- und Priesterhöfe, die geschmückten Kapellen, die Pracht des Münsters ihnen wie Wunder erschienen neben ihrer bäuerlichen Heimat.

Für die Stadt selbst hatten Domstift und Kathedrale eine andere Bedeutung. Eigenartig war schon, daß in diesem Münster, das ursprünglich doch die Pfarrkirche der Stadt gewesen, nunmehr der Klerus kein Seelsorgerecht besaß, auf den Altar- und Chordienst beschränkt war. Er begab sich aber damit des Einflusses auf die Seelen und auch der äußern Vorteile keineswegs. Das Anniversar, das Gräberbuch, die Urkunden des Münsters zeigen uns eine Art Münstergemeinde, die Gesellschaft der ihm und seinen Klerikern besonders zugetanen Gläubigen, die Nachbarn, die Umwohner, die sein Treiben unmittelbar sahen und hörten und über Parochierechte hinweg in Leben und Tod zu ihm hielten. Es waren durchaus nicht nur ritterliche Dienstleute; auch die Burger von der Freienstraße, jenes bunte Gemisch sodann von Notaren, Kunstfertigen und Gelehrten

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Erster Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1907, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_1.pdf/144&oldid=- (Version vom 1.8.2018)