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Fälle, in denen der ordentliche Pfarrer versagte oder kein Vertrauen genoß. Man sorgte für das Heil der Seele nach dem Tode und hatte schon bei Leibesleben einen seinem Willen und Bedürfnis gemäßen Kultplatz in der Kirche. Diese Präbendenstiftungen, am zahlreichsten in der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts begegnend, füllten jedenfalls eine Lücke. Sie halfen zu einer Ergänzung der Pfarrtätigkeit, und durch die Konkurrenz, die sie bereiteten, zwangen sie die Kirche, sich wieder ernster auf ihre Pflichten zu besinnen.

Auf diesem Wege entwickelten sich neue Zustände.

Beachtung verlangt zunächst die nötig werdende Erweiterung der Kirchgebäude, namentlich ihrer Chöre; ganz abgesehen von Erdbeben und Brand ist sie eine Folge des Anwachsens der Gemeinden, der Altäre und des kirchlichen Personals.

Über das kirchliche Personal aber ist jetzt Folgendes zu sagen:

Neben dem Pfarrer (Leutpriester Vikar) amten Helfer bei der Leitung und Besorgung der wachsenden Gemeinde: zu St. Peter schon seit dem XIII. Jahrhundert, zu St. Theodor seit der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts, zu St. Ulrich später. Zu dieser Pfarrgeistlichkeit treten die an den Altären der Kirche und ihrer Filialkapellen dienenden Kapläne. Wir sehen Altar nach Altar gestiftet werden; bei jedem Altar ist eine Pfründe, bei manchen Altären sind mehrere Pfründen, und jede Pfründe bringt der Kirche einen neuen Kaplan, sodaß z. B. in St. Martin 1441 zehn Kapläne neben dem Leutpriester gezählt werden, zu St. Theodor 1493 sieben neben dem Leutpriester und den zwei Helfern. Diese Kapläne sind, auch vom Persönlichen abgesehen, im Einzelnen höchst verschieden nach der Art, der Tendenz, der Finanzierung ihrer Pfründen. Ihre Wahl und ihre Tätigkeit wird geordnet durch die Stiftung.

Die Arbeit dieser „Altaristen und Meßpfaffen“ ist in erster Linie der Dienst an ihrem Altar. Daneben haben sie allerdings dem Pfarrer in der Regel beim Beichthören, Administrieren der Sakramente, Besuchen der Kranken zu helfen und ihn außerdem im Chordienst bei der Messe, dem Stundengebet und den Totengedächtnisfeiern zu unterstützen; zuweilen haben sie aber nur die Funktionen ihrer Pfründen.

Am erkennbarsten wird uns dies ganze Personal bei seinen Konflikten. Wir lernen die Menschlichkeiten kennen, die auch hinter kirchlicher Würde gedeihen, und die Gedanken dieser vom hohen Chor umschlossenen, in Andacht Gebet und Meßhandlung sich vereinigenden Genossenschaften.

Die pfarrliche Tätigkeit sollte ausschließlich sein, innerhalb der Parochie nur dem Pfarrer zustehen. Dies war der Pfarrzwang, ein der Anfangszeit

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 629. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/108&oldid=- (Version vom 4.8.2020)