Seite:Wackernagel Geschichte der Stadt Basel Band 2,2.pdf/140

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Das Bild der Kaplanenschaft ist wesentlich durch ihre Masse bestimmt. Im Münster stand, wie Wurstisen sagt, in jedem Winkel ein Altar; dazu kamen die Altäre in den Kreuzgängen und den verschiedenen Kapellen. Die Gesamtheit dieser „Altäre auf Burg“ war somit groß; die Zahl der Kapläne noch größer, da an manchen Altären mehrere Kaplaneien bestanden. Eine offizielle Zählung von 1441 nennt dreiundsiebzig Kaplaneien, eine Liste von 1525 führt die Namen von einundsiebzig Kaplänen auf, eine Liste von 1529 deren achtundsechzig. Als Normalzahl wird zweiundsiebzig, die Zahl der Jünger Christi, zu gelten haben.

Die Arbeit der Kapläne war ordnungs- und stiftungsgemäß keine seelsorgerliche, da das Münster keine Pfarreirechte besaß. Daß sie trotzdem Beichte hörten, Sakramente spendeten usw., ist schon erwähnt worden; das Wesentliche war doch ihre Verpflichtung zu Chordienst und Altardienst.

Der durch Pfründen- und Memorienstiftungen geschaffene, in den verschiedensten Formen sich vollziehende Kultus trat neben den von Anbeginn gegebenen, den offiziellen und ordentlichen Kultus. Und im Verhältnisse beider gewahren wir eine Entwickelung. Sie ging aus vom Dienste der Domherren; zu deren Unterstützung wurden schon frühe Helfer aus der Kaplanenschaft herangezogen; als Endstück kann die große Ordnung von 1477 gelten, wonach alltäglich, außer den Stiftungsgottesdiensten, auf dreizehn Altären Messen durch Kapläne zelebriert werden sollten.

In einem für die Kanoniker beschämenden Maße wurden die gottesdienstlichen Funktionen zur Sache der Kapläne. Jene hatten selten die Priesterweihe und waren häufig abwesend, sodaß die Arbeit im Chore zum Teil den Kaplänen zufiel; auf den zahlreichen Altären geschah Alles durch die ihren Pfründen abwartenden Kapläne allein. Von ihnen lebte der Kultus, schallte das Münster. Den prächtigen und verweltlichten Herren des Chors gegenüber waren diese kleinen, zum Teil schlecht honorierten Kleriker die Arbeitenden. Natürlich rächten sie sich, so gut es ging, vor allem durch jenes Spötteln und Lästern, das von den Tagen Heinrichs von Isny an in diesen Schichten des Basler Klerus zu Hause war.

Wenn der Gegensatz zum Kapitel die Kapläne auch zusammenschloß, so war doch wenig wirkliche Einheit bei ihnen selbst vorhanden. Wir begegnen keinen Organen, keinen für Alle verbindlichen Statuten. Dafür zahlreichen vereinzelten Bestimmungen und Formen. Die Masse zerstiebt, und wir sehen nur Kategorieen und Persönliches.

Die wichtigste Gruppe war ohne Zweifel diejenige der schon erwähnten capellani choro adstricti, der Chorpfaffen, die den Domherren im Chore

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 661. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/140&oldid=- (Version vom 4.8.2020)