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Stift. Dabei ist der Abstand der beiden Komplexe viel geringer als beim Domstift. Das konstitutionelle Verbundensein entspricht sozialer Verwandtschaft; hier sehen wir Kapläne zu Chorherren wachsen, oder Kanonikate und Kaplaneien gegen einander vertauscht werden; ein Chorherr kann zugleich eine Kaplaneipfründe besitzen.

Annahme auswärtiger Benefizien namentlich durch die Chorherren – in den Stiftern Schönenwerd Zofingen Solothurn usw. und an zahlreichen Pfarrkirchen – ist natürlich auch hier Uebung. Die Kanoniker sind daher nie vollzählig anwesend, und statt des Propstes hat häufig der Dekan zu funktionieren. Auffallend ist auch der häufige Wechsel in der Besetzung der Propstei. Zu der Lockerheit dieser Zustände passen die Wohnverhältnisse. Während beim Münster die alte Lebensgemeinsamkeit zum Teil durch die in einem großen Zuge geschaffene Kurienreihe ersetzt worden ist, zeigt sich bei St. Peter die spätere Zeit auch in der Zersplitterung des Wohnens. Nur wenigen Chorherren hat das Stift Kurien zu verleihen, und die übrigen sitzen in eigenen Häusern.

Was wir solchergestalt zwei Jahrhunderte lang vor uns haben, ist das übliche Bild aller Kapitel, bei denen die reinen Ideen des Beginns schon früh in Geschäftssinn und Lebensgenuß untergehen. Beim Domkapitel wird dieser Mangel vielleicht wett gemacht durch die hohe politische Stellung und Wirksamkeit des Kollegiums. Hier ist nichts Derartiges wahrzunehmen. Erst die Verbindung des Stifts mit der Universität bringt seinem stumpfen Dasein eine Bewegung höheren Lebens.


Während das Domstift eine seiner Kapellen, St. Ulrich, zur Pfarrkirche werden sah, erlebte St. Peter eine Entwickelung anderer Art an der ihm zugehörigen St. Andreaskapelle. Diese alte bischöfliche Gründung war 1296 durch Bischof Peter dem Stift übergeben worden; Bischof Gerhard hatte 1323 diese Union bestätigt.

Die Absicht war hiebei gewesen, durch das Vermögen der Kapelle den Stiftsfinanzen aufzuhelfen. Zugleich konnte das kirchliche Verhältnis geordnet werden. Die Kapelle, unter dem Kollaturrechte der Bischöfe stehend, hatte ihren Kirchherrn gehabt; sie lag in der Parochie von St. Peter, und Eingriffe in die Rechte der letzteren waren wohl unvermeidlich gewesen. Durch die Union von 1296 ging das selbständige Amt der Kapelle ein, und ihre Versehung geschah fortan durch einen der Kapläne von St. Peter. Das Stift beherrschte jetzt das tief unter ihm, mitten im bevölkertsten Teile des Kirchspiels gelegene alte Gotteshaus. Daß es dort

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 672. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/151&oldid=- (Version vom 4.8.2020)